Mittwoch, 12. Oktober 2022

Wie ist doch alles weit ins Bild gerückt

Pirckheimer in der Ausstellung, Begrüßung: Corinna Roeder
Ein Höhepunkt des Jahrestreffens der Pirckheimer-Gesellschaft 2022 war ein Ausstellungsgespräch mit Anja Harms und Eberhard Müller-Fries. Eine Teilnehmerin schrieb zu dieser Ausstellung:

Der Ausstellungsort spielt eine wichtige Rolle: bei jedem Austellen der Objekte entwickeln Anja Harms und Eberhard Müller-Fries neue Zusammenhänge zwischen den Werken, die zudem – bei aller Unterschiedlichkeit in Größe und Form – eine augenfällige Kohärenz zeigen: schwarz und weiß dominieren, eine klare, fast ungemischte Primärfarbe ist oft Spielpartner der abstrakten Formengruppen, die Eigenfarbigkeit von Holz, Papieren und Gazen wird zugelassen. In Oldenburg bewegt sich der Besucher durch mehrere Räume der oberen Etage, um Säulen herum, steht vor großen Paravents oder fast goldschmiedeartigen Arbeiten in Tischhöhe. Jedes Künstlerbuchobjekt erforscht eine eigene Präsentationsform, versucht einen neu erfundenen Prozess von Annäherung, Schutz, Öffnung und Blättern. Wegen der extremen Formate werden die Kunstwerke auf und in dazugehörigen Gestellen präsentiert, manche von ihnen schwingen leicht, andere sind in sich beweglich, der Besucher darf eingreifen und verändern.
Ausgangspunkt ihres kreativen Schaffens ist immer die Literatur, deren Sprach- und Klangbilder sie in eine moderne Formensprache übertragen. Da macht es Sinn, dass bei unserer Führung die zugrundeliegenden Texte zunächst von einer Schauspielerin vorgetragen wurden, um sich danach dem Buchobjekt zu nähern. Die Künstler, die von der Buchkunst (Harms) und von der Bildhauerei (Müller-Fries) kommen, spielen mit allen Drucktechniken auf hauchfeinen Japanpapieren oder voluminösen Kupferdruckbütten, mit Tusche, Farben und Holz, um aus Einzelwerken ein Zusammenhängendes zu schaffen. So gegensätzlich und schwer vereinbar die Materialien scheinbar sind, so unendlich viele Möglichkeiten eröffnen sie im gemeinsamen künstlerischen Prozess.
Anja Harms, Eberhard Müller-Fries
Fotos © C. Kreiser
Es entstehen Künstlerbücher, raumgreifende Buchskulpturen, Objekte, lesbare Skulpturen, die in ihren Ausstellungen zu raumbezogenen Installationen verwoben werden. Der Besucher darf seiner Neugier nachgeben und sich von einem Fundstück zum andern treiben lassen. Manche sehen aus wie Strandgut, andere bestechen durch Spielfreude, wieder andere durch ihre Präzision. Immer gibt es etwas zu entdecken, mit den Händen zu begreifen und zu bedenken. Wunderbar ist es, mit den Künstlern in Arbeitsprozesse einzusteigen. Dabei stellt sich heraus, wie viele Fehlversuche in jeder vollendeten Annäherung verborgen bleiben, welche technischen Problem im Weg standen, um diese sowohl schlichten wie auch raffinierten Wunderwerke zu schaffen.
Finissage am Freitag, 21. Oktober, um 19.00 Uhr mit einem Vortrag von Dr.
Stefan Soltek, ehemaliger Direktor des Klingspor Museums Offenbach. Die Künstlerin Anja Harms und der Künstler Eberhard Müller-Fries sind anwesend. Eröffnet wurde die Ausstellung von Frau Janke, Leiterin der Künstlerbuchsammlung der HAB Wolfenbüttel. Auch dies ist ein Hinweis auf die Einzigartigkeit des künstlerischen Ansatzes von Anja Harms und Eberhard Müller-Fries, die seit 2011 zusammenarbeiten.

(Constanze Kreiser)

Ausstellung: noch bis 21. Oktober 2022

Landesbibliothek Oldenburg
Pferdemarkt 15 · 26121 Oldenburg

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