Die Gartenlaube: Gesichter eines Massenblattes
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Erster illustrierter Heftumschlag der Gartenlaube,
genutzt von 1860 bis 1883. © Martin Kelter Verlag |
Als der Leipziger Verleger Ernst Keil vor 160 Jahren sein „neues Blättchen… für’s Haus und für die Familie, … für Groß und Klein, für Jeden …“ ankündigte, war kaum damit zu rechnen, welchen Erfolg und welche Bedeutung Die Gartenlaube erzielen würde. Wer vermutet schon, dass sie den Grundstein zur Entwicklung der modernen Boulevardmagazine im Hochglanzstil legte? Über die Bilderwelt der Gartenlaube, die in der deutschen Pressegeschichte einen besonderen Platz einnimmt, spürt die Kabinettausstellung den Herstellungstechniken und verschiedenen Gesichtern des Massenblattes nach.
Gemeinsam mit dem Pfennig-Magazin und der Illustrirten Zeitung gehörte Die Gartenlaube zu den Medien, die mit ihren schwarz-weißen Holzstichbildern den Beginn der illustrierten Massenpresse im 19. Jahrhundert einläuteten. Als „Illustrirtes Familienblatt“ verkörperte sie einen neuen Medientypus, wurde zum auflagenstärksten, wirkmächtigsten und oft imitierten Blatt. Als Wissenssammlung, Ratgeber und Unterhalter fand die Zeitschrift in vielen Bücherschränken einen Platz. Mit ihren inhaltlichen und ästhetischen Gesichtern spiegelt sie den Zeitgeist und Geschmack eines breiten Leserpublikums wider, gilt als reiche Quelle der Kulturgeschichte, steht aber zugleich als Synonym für eine idyllische und rührselige Bilder- und Romanwelt.
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Kalikoeinband mit Prägedruck, 1884
Foto: Bertram Kober |
Der mehrfache Wechsel der Verleger, die sich ändernden Leserinteressen und die wachsende Konkurrenz am Zeitschriftenmarkt unterwarfen Die Gartenlaube einem starken inhaltlichen und ästhetischen Wandel. Ernst Keils geniales Programm zielte gemäß seiner liberalen Gesinnung auf „geistige Ertüchtigung“, Aufklärung und Unterhaltung des Bürgertums. Mit Beiträgen aus Naturwissenschaft, Medizin und Technik, Berichten aus Geschichte, Militär, Volkskunde und Kultur, flankiert von Gedichten, Erzählungen und Fortsetzungsromanen (u. a. von Eugenie Marlitt, der Bestsellerautorin des 19. Jahrhunderts) sowie „verzierenden und erklärenden Abbildungen von anerkannten Künstlern“ traf er den Geschmack einer wachsenden Abonnentenschar.
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Jubiläumseinband zur Gartenlaube, 1902
Foto: Bertram Kober |
Nach dem Verkauf des Verlages 1883 an die Gebrüder Kröner in Stuttgart übernahm Adolf Kröner die Redaktion der Gartenlaube in Leipzig. Bewährte Themen blieben im Programm, wurden aber nach seiner national-konservativen Gesinnung neu ausgerichtet: Dienst fürs Vaterland, Wohltätigkeit, Hygiene, Wirtschafts- und Rechtsfragen, Erfolgsmeldungen aus Deutschlands Industrie u. ä. bestimmten den Tenor, der Unterhaltungsaspekt wurde betont und der Bildanteil wuchs. Unter August Scherl, der Die Gartenlaube 1904 in seinen Berliner Verlagskonzern integrierte, fand die Umwandlung vom Familienblatt zur modernen Illustrierten ihren Abschluss. Gefällige Unterhaltung, Beilagen wie Die Welt der Frau und Werbung bestimmten das Profil.
Der Verkauf des August Scherl Verlages 1916 an den Hugenberg-Konzern läutete das Ende der Zeitschrift ein: Bildberichte über die politische Lage, über Persönlichkeiten, Staatsfeierlichkeiten und Kriegsereignisse, Soldatentransporte und Lazarette nebst Bildern aus der Filmwelt, banalen Ratgeberbeiträgen, trivialen Fortsetzungsromanen und einem sich verselbständigenden Beilagen- und Werbeteil machten Die Gartenlaube zu einer Zeitschrift unter vielen, die ab 1933 von der nationalsozialistischen Propaganda instrumentalisiert wurde. Nach der Umbenennung 1938 erschien Die neue Gartenlaube noch bis 1944.
Eröffnung: 7. November 2013, 19:00, Museumsfoyer
Ausstellung: 8. November 2013 bis 11. Mai 2014
Deutschen Buch- und Schriftmuseum
Tresor der Deutschen Nationalbibliothek
Leipzig