Mittwoch, 14. Juni 2023

Literatur als koloniale Beute?

Aufzeichnen – Extrahieren – Sammeln – Anonymisieren – Abschreiben – Umdichten – Zirkulieren – Zurückgeben und am Ende die Frage: „Wie viel koloniale Beute gibt es in dieser Bibliothek?“
Die aktuelle Ausstellung Provenienzgeschichten 1910 – 2021 des Masterseminars „Looted literature“ an der FU Berlin unter der Leitung von Prof. Irene Albers und Andreas Schmid zeigt Provenienzgeschichten anhand einzelner Buchtitel und Exponate. 

Die Vitrinen in der Philologischen Bibliothek mit den roten Titelüberschriften erzeugen Aufmerksamkeit und erfordern zugleich Ruhe und Zeit für das Verstehen und Betrachten der vielschichtigen Ausstellung. Bücher, Zeichnungen, Fotos, Karteikarten, Quellentexte, Reproduktionen, Titelcover und ein Phonograph aus dem Ethnologischen Museum zeigen und erzählen Geschichten über die europäischen Aufzeichnungen von sog. Oralliteraturen. Die Beschaffung der Reproduktionen und einzelner Originalausgaben war mit intensiver Recherchearbeit und Archivbesuchen verbunden. Eine Kernfrage zieht sich wie ein roter Faden durch die Vitrinen: Kann Literatur – analog zur Raubkunst – zu kolonialer Beute werden? Im Licht aktueller Debatten über Aneignung, Raub und Restitution im Anschluss an die Veröffentlichung des von Bénédicte Savoy und Felwine Sarr im Auftrag von Macron erstellten Berichts und sich anschließenden Publikationen bei Matthes und Seitz versucht die Ausstellung, die literarische Moderne anhand von Herkunftsgeschichten neu zu denken.

Ausstellung: noch bis 20. Juli 2023

Philologische Bibliothek der Freien Universität Berlin
Habelschwerdter Allee 45, 14195 Berlin

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