Samstag, 3. Juni 2023

Rainer Maria Rilke, Le Noyer

Kleiner Gedichtzyklus, geschrieben 1924 auf Bitten von Jeanne de Sépibus-de Preux, die den Dichter in ihrem Garten in Sierre unter einem Nussbaum zu empfangen pflegte.
Einband des Büchleins
Rainer Maria Rilke lebte von 1921 bis 1926 im Château de Muzot in Veyras oberhalb von Sierre/Siders im Kanton Wallis. 1921 war das Herrenhaus aus dem 13. Jahrhundert von dem Schweizer Kaufmann und Kunstmäzen Werner Reinhart gekauft worden, der es Rilke mietfrei überließ. Jeanne de Sépibus-de Preux, eine ortsansässige Adlige, besuchte den Dichter dort mehrfach und wünschte von ihm ein Gedicht. Sie wusste zwar, dass er Dichter war, wie berühmt er damals bereits war, wusste sie jedoch nicht.
So schrieb er am 12. Juni für sie in ein Büchlein einen kleinen Zyklus über einen Nussbaum, da Mme de Sépibus ihn in ihrem Garten unter einem Nussbaum zu empfangen pflegte. Es ist das einzige Rilke-Gedicht, das er auf Bestellung anfertigte.

Als Rilke bei ihr und ihrem Mann zum Abendessen eingeladen war, legte er das Büchlein unter ihre Serviette, zusammen mit einer Rosenknospe.
Das Büchlein enthält die Widmung: à Madame Jeanne de Sépibus-de Preux
Quelques aperçus, qu’on n’aurait pas osé d’offrir sans commande expresse
RMR
Das Originalmanuskript befindet sich in der Fondation Rilke in Sierre. Ein Faksimile (hergestellt von Wolfau Druck AG Weinfelden) kann dort erworben werden.
Im Mai 1967 schenkte Jeanne de Sépibus der Stadt Sierre Handschriften, Briefe und andere an Rilke erinnernde Gegenstände aus ihrem Besitz, darunter das Manuskript des Gedichts «Le Noyer» und 38 Briefe Rilkes an sie. Diese Dokumente wurden im ‘Blauen Salon’ des Rathauses ausgestellt. Nach dem Tod der Donatorin kam ein weiterer Teil ihres Nachlasses hinzu, bestehend aus Salonmöbeln, Porträts und Fotografien. Das ihr gewidmete Manuskript der «Quatrains Valaisans», das sie an einen Londoner Antiquar veräußert hatte, konnte von einigen Einwohnern der Stadt Sierre zurückgekauft werden und gehört heute zum Archiv der Fondation Rilke.

(Wolfram Schneider-Lastin, Zürich)

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