Mit der Erwerbung gelingt es, eine schmerzliche Lücke im Sammlungsbestand zu schließen. Trotz seiner hohen Relevanz für die Dresdner Romantik war Runges Schaffen im Bestand der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden kaum repräsentiert. Das Kupferstich-Kabinett besaß bisher lediglich ein kleinformatiges Selbstbildnis aus der Porträtsammlung Carl Christian Vogel von Vogelstein sowie den für das gesamte Schaffen des Künstlers programmatischen Grafikzyklus der „Zeiten“, bei dem Ornamente aus der Pflanzenwelt ins Zentrum seines Verständnisses von Landschaftskunst treten.
Der aus Wolgast in Mecklenburg-Vorpommern stammende Runge hatte sich für eine nur kurze, aber für seine künstlerische Entwicklung prägende Zeit zwischen 1801 und 1804 in Dresden aufgehalten. In diese Phase fielen seine Bekanntschaft mit dem Schriftsteller Ludwig Tieck und dem Naturphilosophen Heinrich Steffens sowie der wegweisende Austausch mit Johann Wolfgang von Goethe. Zuvor hatte Runge in Greifswald Caspar David Friedrich erstmals getroffen. In Dresden konnte er an diese wichtige Begegnung anknüpfen. Zu Friedrichs Landschaftsauffassung bildet jene von Runge einen eigenständigen Gegenpart.
Runges Scherenschnitte lassen sich gleichsam als Grundbaustein seines Bilddenkens beschreiben. Der Künstler geht der Schönheit der Pflanzen in ihren vielfältigen Formen nach und verfolgt dabei die Architektur ihrer organischen Bildungsgesetze. Ausgehend von exakter Naturbeobachtung unterwirft der Scherenschnitt die Naturform einem Abstraktionsprozess. Die Pflanze als Grundbaustein der Natur wird bei Runge zum Gleichnis eines göttlichen Schöpfungsplanes.
Philipp Otto Runge, Johannisbeere © Kupferstich-Kabinett, Staatliche Kunstsammlungen Dresden Foto: Grisebach GmbH |
Philipp Otto Runge, Narzisse © Kupferstich-Kabinett, Staatliche Kunstsammlungen Dresden Foto: Grisebach GmbH |
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