Dienstag, 11. Februar 2025

Antiquarisches für den Wiederaufbau des DBSM in der DDR

Zu den Mitteln der Buchbeschaffung, mit denen das Deutsches Buch- und Schriftmuseum in der DDR in den 1950er Jahren den Wiederaufbau seiner Sammlungen vorantreibt, zählen auch antiquarische Ankäufe, die im Ausland erfolgen Auf diesem Weg erwirbt das Deutsche Buch- und Schriftmuseum auf Auktionen der Westberliner Kunst- und Antiquariatshandlung Gerd Rosen seltene Bücher, aber auch ägyptische Kleinplastiken und südostasiatische Palmblatthandschriften.
Blick in den Katalog des Antiquariats Gerd Rosen, Berlin zur Versteigerung 27 (1956), Die Nr. 1688 ist mit der Zugangsnummer des Museums annotiert. Foto: DNB, Laura Stein
Gerd Rosen ist heute vor allem als Inhaber der ersten Kunstgalerie bekannt, die 1945 im kriegszerstörten Berlin neu eröffnet wird. Ihr Schwerpunkt sind die Klassische Moderne und zeitgenössische Kunst. Die wertvollen und seltenen Bücher, die der gelernte Antiquar im hinteren Teil seiner Geschäftsräume zeigt, finden anfangs wenig Beachtung. Erst als einige der von ihm vertretenen Künstler sich von ihm trennen, kehrt Rosen zu seinen Ursprüngen im Antiquariatshandel zurück.
Goethe, Johann Wolfgang von: West-oestlicher Divan. EA. Stuttgart, Cotta 1819, nach einem Foto der  DNB, Laura Stein
Die im Deutschen Buch- und Schriftmuseum aufbewahrten Kataloge dieser Auktionen sind gleichermaßen Sammlungsobjekt, Quelle zur Geschichte des Antiquariatshandels und Dokumentation der eigenen Erwerbungen. Als Handexemplare der Sammlungsleiter genutzt, enthalten sie annotierte Kaufpreise und Zugangsnummern des Museums. Über die Vorgeschichte der Objekte geben die Kataloge jedoch nur bedingt Aufschluss: Wer die Objekte bei Rosen in den Verkauf eingeliefert hat, wird im Katalog durch codierte Nummern angegeben, deren Auflösung bislang nicht entschlüsselt ist. In manchen Fällen verweist die Katalogbeschreibung auf Provenienzmerkmale, so etwa bei einer in der Auktion XXVII angekauften Erstausgabe von Goethes West-Oestlichem Divan: „Sauberes Exemplar. Exlibris. Vorsatz mit Widmungsgedicht, dat. 1842“.

Das Exlibris ermöglicht es, ein Verfolgungsschicksal aufzudecken: Seine Eigner Emil und Jenny Baerwald waren ein jüdisches Kaufmannsehepaar, dem nach den Novemberpogromen 1938 die Flucht in die USA gelang. Teile ihres Umzugsgutes wurden in Hamburg beschlagnahmt und dort mutmaßlich 1942 versteigert. Das Buch konnte im Sommer 2022 an die Erben zurückgegeben werden. Da das Museum es vor der Restitution digitalisieren durfte, ist es für die Öffentlichkeit in digitaler Form weiterhin zugänglich.

In anderen Fällen werfen die Katalogeinträge neue Fragen auf. Verschiedene Quellen deuten darauf hin, dass Rosen vor allem für Privatverkäufer aus der DDR ein beliebter Anlaufpunkt war und selbst Ankaufsreisen in die DDR unternahm. Sind die Erwerbungen des Deutschen Buch- und Schriftmuseums insofern das Ergebnis innerdeutscher Ost-West-Ost-Transfers? Dieser Spur ist weiter nachzugehen.

(Emily Löffler)

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