Roland R. Berger: Zu Anna Seghers’ Erzählung »Die Reisebegegnung« (2015) |
Nun schickte er uns seinen in diesem Jahr in der Edition Schwarzdruck Gransee erschienenen Katalog »Illustriertes« – eine Bilanz seines bisherigen Schaffens auf diesem Gebiet. Roland R. Berger ist jetzt 82 Jahre alt, kämpft mit schweren gesundheitlichen Problemen und wird wohl nach dieser Publikation kaum Neues schaffen können. Nicht nur deshalb ist dieser Katalog eine kleine Kostbarkeit. Man blättert und liest darin mit großem Genuss, bestaunt die Vielfalt der künstlerischen Techniken und den Reichtum sowohl der Wirklichkeitssichten als auch der Phantasie.
Die früheste abgebildete Arbeit stammt aus dem Jahr 1967 – ein Gipsschnitt zu Brecht-Songs aus der Dreigroschenoper, die letzte ist ein Blatt für den Kalender 2023 der Edition Linksrum zum 100. Geburtstag von Loriot mit dem Bonmot: »Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Da sind sie tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen.« Aus den dazwischen liegenden Jahrzehnten gibt es eine sinnreiche Auswahl von Illustrationen zu Gedichten von Joachim S. Hohmann, Thomas Luthardt und Novalis. Es erscheinen Porträtdarstellungen, Arbeiten zu Anna Seghers, Christa Wolf und zum Nibelungenlied. Das Märchen »Der Holzwurm und der König« von Bernd Schirmer wird ebenso illustriert wie Texte von Wolfgang Kohlhaase, Christoph Hein und Günther Rücker. Es gibt Arbeiten für die Pirckheimer-Gesellschaft und Buchumschläge zur internationalen Literatur. Eine Gruppe von Arbeiten für verschiedene Theater ist ebenso zu bewundern wie Neujahrsgrafiken, Vignetten, Lesezeichen und Exlibris. Damit ist die Fülle des Schaffens von Roland R. Berger nur angedeutet. Es ist eine große Leistung der Edition Schwarzdruck mit ihrem Leiter Marc Berger, ein solches Schmuckstück nach allen Regeln der Buchkunst gestaltet zu haben, mit dem der Sohn den Vater ehrt. Zugleich gibt es Rechenschaft über eine langjährige, achtungsvolle Zusammenarbeit, die bis in die Gegenwart reicht.
Roland R. Berger: Zu Anna Seghers’ Roman »Das Siebte Kreuz« (2017) |
Seit 1983 war Roland R. Berger Dozent und Professor des Studienganges Kunsterziehung an der Humboldt-Universität Berlin. 1995 erlebte er verbittert die Abwicklung dieses Bereiches. Seitdem war er Oberstufenlehrer in Gransee und Oranienburg und wurde Zeuge des Niedergangs des Bildungssystems. Er fühle sich mehr als Sozialarbeiter, weniger als Lehrer, sagte er damals. Als Dozent bemühte er sich um die Lehrerfortbildung in Brandenburg, Sachsen und Thüringen. Ab 2007 arbeitete er freiberuflich weiter, obwohl er Rentner war. Auch in diesen Jahren bewährte er sich als Künstler, Kunstwissenschaftler, Publizist, Sammler und Laudator.
In seinen Arbeiten mischen sich Ernsthaftigkeit und Spielfreude. Möge ihm beides noch lange erhalten bleiben. Dass Kunst das Leben bereichern, Stellung beziehen und manchen ermutigen kann, selbst künstlerisch tätig zu sein, das hat er als Kunsterzieher jungen Menschen vorgelebt. Sein eigenes Schaffen ist dafür bis heute ein Vorbild. Der letzte Katalog beweist es. Wir hoffen mit ihm, dass ihm die originellen Ideen nicht ausgehen.
Von Maria und Peter Michel Aus: junge Welt, 21.05.2024, Seite 10 / Feuilleton
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