Dienstag, 2. April 2024

Exlibris des Monats: Kay Voigtmann

Die DEG wählte als Exlibris des Monats April 2024 die Arbeit von Kay Voigtmann, 2004, Erich Kästner: Ein Hund hält Reden, für Ingrid und Lutz Grösel (2004).

Wenn man keinen Hund hat, kommt man nicht auf den Gedanken, dass der April für Hunde ein etwas schwieriger Monat sein kann, weiß man doch wenig über Anleinbestimmungen für Hunde, die sowieso nicht bundeseinheitlich, sondern länder- bzw. kommunalspezifisch geregelt sind. Auf jeden Fall haben Hunde im April an manchen Orten einige weitergehende Anleinvorschriften als sonst, die in Zusammenhang mit der Brut- und Setzzeit von Vögeln und Wild stehen. Außerdem sehen sie ihre menschlichen Besitzer meist in und nach der Osterzeit viel Schokolade essen, deren Genuss ihnen mit dem Hinweis, dass das nicht gesund für sie sei, (zu Recht) verboten wird. Ob sie diese Argumente verstehen, weiß ich nicht, aber der Hund in Erich Kästners Gedicht „Ein Hund hält Reden“ würde sie verstehen, vielleicht jedoch nicht billigen. Denn er klärt den Autor eindeutig über die tierische Sprechfähigkeit auf: „Wir können sprechen.“ Und: Er nennt „Kästner“, wie er den schon zur Entstehungszeit des Gedichts bekannten Dichter respektlos und unhöflich, fast schon arrogant, anredet, auch den Grund, warum er und seinesgleichen diese Fähigkeit nicht nutzen: „Das ist doch klar? Der Mensch ist es nicht wert, dass man gesellschaftlich mit ihm verkehrt.“

Aber lesen Sie das Gedicht Erich Kästners, an den wir in diesem Jahr aufgrund seines 50-jährigen Todestags häufig erinnert wurden, selbst.
Wie Kästners Gedicht macht auch Voigtmanns Exlibris auf den ersten Blick vor allem Spaß. Man sieht zwei Wesen, die man sofort als Geschöpfe Kay Voigtmanns erkennt, sonst – oder deshalb –allerdings nicht genauer bestimmen kann. Tiere sind es nicht, Menschen sind es auch nicht, sondern nicht kategorisierbare Mischwesen ­– dass diese männlich sind, lässt sich allerdings nicht bestreiten – in seriöser und formeller Kleidung und mit menschlichen Statussymbolen wie einer Krawatte, einer Fliege, einem Monokel oder einem Buch oder Kalender in der Hand. Sie begegnen sich wichtigtuerisch, wohl bei einer gesellschaftlichen Abendveranstaltung. Sie tun genau das, was Kästners geträumter Hund nicht tun möchte: sie verkehren gesellschaftlich miteinander, indem sie plaudernd beieinanderstehen und sich Rauch, heiße Luft also, ins Gesicht blasen. Dass Menschen tierische Züge annehmen, ist bei Voigtmann durchaus häufig, das Umgekehrte tut er seinen Tiergestalten nicht an. Deswegen lässt sich vermuten, dass der traurig unten sitzende kleine Hund, also die dritte Figur des Bildes, Kästners sprechenden Hund darstellt, der den gesellschaftlichen Verkehr seiner menschlichen Mitwesen irritiert, verstört und traurig belauscht, sich von ihrer heißen Luft, also ihren Übertreibungen, Eitelkeiten, Schönfärbereien und Unwahrheiten abwendet. Ich glaube, dass jeder von uns sich vorstellen kann, worüber diese beiden Wesen miteinander sprechen bzw. womit sie protzen, während der arme Hund nur noch „seine Schnauze halten“ kann. Und wer das Kästner’sche Gedicht kennt, weiß warum.

(Ulrike Ladnar)

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