„Horacio Quiroga (1878-1937) wird heute als der erste klassische Erzähler Südamerikas angesehen“, schreibt Roland Berens in seiner Monografie. „Ihm gebührt das Verdienst, die Erzählung, die vor ihm nicht hinreichend anerkannt oft abschätzig als cuentito bezeichnet wurde, zu einer literarisch respektierten Kunstform entwickelt zu haben.“ Doch wer steckte hinter den Geschichten aus dem Urwald? Eine Art Rudyard Kipling vom Río de la Plata?
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Wilson Alves Bezerra, Professor für vergleichende Literaturwissenschaft an der Universidade de São Carlos in Brasilien, hat sich seit der Studienzeit mit Horacio Quiroga beschäftigt. In seiner Biografie ist es ihm ein Anliegen, eine Reihe mehr oder minder pietätvoller Mythen um den Autor in Frage zu stellen – schwerer Charakter, tragischer Held, krank von seiner zweiten Frau verlassen – und ein möglichst umfassendes, teils auf unerschlossenen Quellen basierendes Porträt des Schriftstellers zu entwerfen. Dabei kam ihm ein Zufall zu Hilfe: Im Juni 2012 wurde auf einem argentinischen Internetportal eine Sammlung Dokumente aus Quirogas Nachlass angeboten. Diese «Sammlung» bestand aus zwei Bananenkisten aus Ecuador in der hintersten Ecke eines Antiquariats in Mar del Plata, einem argentinischen Badeort. Es gelang, die zwei Kisten, die mit einer zwei Meter langen Schlangenhaut ausgelegt waren, am Zoll vorbei nach Brasilien zu transportieren. Doch das war erst der Anfang. Recherchen in den Archiven von Salto, Buenos Aires und Montevideo folgten, bevor die Pandemie die nötige Distanz zur Hektik des Alltags schuf, um die Lebensgeschichte des einsamen Anarchisten zu vollenden: In überzeugender Weise schildert Wilson Bezerra die Pendelbewegung des Schriftstellers zwischen Buenos Aires und seinem immer wieder verlorenen und wiedergewonnen Arkadien, der ehemaligen Jesuitenmission San Ignacio in der Provinz Misiones. Die Geschichten aus dem Urwald nahmen ihren Anfang in einer ehemaligen Jesuitenreduktion, die Horacio Quiroga erstmals 1903 als Photograph des Dichters Leopoldo Lugones (1874-1938) besuchte, der eine Expedition in den unerschlossenen Urwald des argentinischen Nordostens leitete[....]
Die vorliegende Biografie beleuchtet ganz neue Aspekte des Schriftstellers, jenseits der Urwaldgeschichten, die ihm den Ruf eines südamerikanischen Rudyard Kipling eingetragen haben.
Es ist an der Zeit, Horacio Quiroga auch im deutschen Sprachraum wiederzuentdecken. Die faszinierende Biografie von Wilson Alves Bezerra bietet hierzu die beste Gelegenheit.
Es ist an der Zeit, Horacio Quiroga auch im deutschen Sprachraum wiederzuentdecken. Die faszinierende Biografie von Wilson Alves Bezerra bietet hierzu die beste Gelegenheit.
(Albert von Brunn, Zürich)
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