Samstag, 12. August 2023

Rezension zur Jahresgabe der Pirckheimer-Gesellschaft

Für Novalis, einen der wichtigsten Romantiker und Erfinder der „Blauen Blume" (1772-1802), könnte das fast zum Klischee gewordene: „Forever voung" gelten. Er ist im Gedächtnis geblieben als der junge Mann, als den ihn das berühmte Porträt zeigt. Dabei klingen seine Texte, denken wir nur an „Hymnen an die Nacht" oder den Roman „Heinrich von Ofterdingen" immer gewichtig, geprägt wie von Altersweisheit.
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Es galt, an den 250. Geburtstag des Dichters zu erinnern. Darum baten das Literaturhaus Halle und dessen Leiter, Alexander Suckel, „befreundete Kolleginnen und Kollegen, Gäste des LHH in den letzten Jahren ... Texte, zu verfassen." Ziel 'sei eine Auslotung des „Kosmos" Novalis, indem seine Poetik von unterschiedlichen Stimmen sozusagen ins Heute transponiert würde.
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Das Vorwort führt den Leser instruktiv ins Buch ein, erklärt, in Anlehnung an Bert Brechts [...] Gedicht „Die Teppichweber von Kujan-Bulak ehren Lenin"; dass die Autoren sich ebenfalls nützten, in dem sie Novalis ehren, wie einst die Teppichweber Lenin.
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Man sollte dieses Buch nicht lesen, wie man sonst liest. Ich empfehle, das Inhaltsverzeichnis aufzuschlagen und sich von den Titeln der Beiträge gefangen nehmen und in eine romantisierte und poetisierte Welt führen zu lassen: Zu „Krautrock und Hydrogeologie", um in Erinnerungen an die Band "Novalis" zu gleiten. Durch eine „Verklärte Nacht" zu fahren, in einer seltsamen Kutsche, wo aus einem Tintenklecks doch noch die Blaue Blume wird. Dann eine Liebeserklärung an Novalis zu lesen, die nicht dem hübschen jungen Mann gilt, sondern einem Dichter, dem wir eine "Entlarvung Goethes" verdanken. Man kann nachempfinden, wie sich einem heutigen Schriftsteller Zugänge zu Novalis er-schlossen oder von einer sehr gut zu lesenden philosophischen und literarischen Ausdeutung Novalis' bereichert werden, obwohl deren Titel vom Nichtssuchen, sattem Herzen und leerer Welt spricht. Oder ganz in der Gegenwart ankommen beim Heimischwerden und doch sehnsuchtsvoll Fremdbleiben einer Familie, die vor dem Krieg in der Ukraine geflohen ist, deren Begleiter man als I.eser wird. [...]
Das Buch ist von einer Schönheit der Buchgestaltung, wie sie leider selten geworden ist heutzutage. Man bekommt die Blaue Blume zu fühlen, wenn man es in die Hand nimmt. Denn die Buchdeckel. sind davon übersät. Doch damit nicht genug: Der hallesche Grafiker und Maler Sven Großkreutz schuf eine Radierung von Novalis, die man auf der Seite 108 findet. Und es liegt dem Buch ein weiteres Novalis-Motiv des Künstlers als Originalabzug bei, als Jahresgabe der Pirckheimer-Gesellschaft. Diese liebt, so ihr Leitgedanke, Bücher und Graphiken, alles, was schön ist. Mit diesem Buch hat sie sich selbst, den Romantikbegeisterten, jedem Bücherfreund ein Geschenk gemacht.

(Albrecht Franke, in Altmark-Blätter, 29. Juli 2023)

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