Vor 75 Jahren wurde in der Sowjetischen Besatzungszone ein eher schmuckloses, aber dennoch gewichtiges Buch mit 318 Seiten in einem Papp-Einband herausgegeben. Auch wenn man ihm den bibliophilen Charakter auf den ersten Blick nicht ansieht, die Ausstattung ist dem Erscheinungsjahr geschuldet, doch aus den Nachkriegsjahren überstanden die Zeit nur in wenigen Exemplare, weshalb der Titel allein aus diesem Grund als bibliophil eingestuft werden kann.
Nico Rost hatte seine Aufzeichnungen heimlich im Konzentrationslager Dachau angefertigt und nach der Befreiung, zurückgezogen in den Ardennen, redigiert. So entstand „Goethe in Dachau“, ein Klassiker unter den KZ-Berichten. Dieses, von seiner Ehefrau Edith Rost-Blumberg ins Deutsche übersetzte und von Johannes R. Becher unterstützt in der SBZ herausgegebene Buch wurde zuvor 1946 auf Niederländisch im Amsterdamer Verlag L.J. Veen’s veröffentlicht. Es erschien in der Folgezeit, unter anderem auch mit einem Vorwort von Anna Seghers, insgesamt in 18 Auflagen und Übersetzungen, 1999 erneut bei Volk und Welt, zuletzt 2016 auf Katalanisch.
Nico Rost, Kommunist und Anarchist, der 1948 anlässlich des Erscheinens von „Goethe in Dachau“ in die SBZ auswanderte und dort, wie schon vor seiner Inhaftierung durch die Gestapo in Brüssel, als Kulturjournalist arbeitete, musste der DDR aufgrund politischer Differenzen und infolge von Denunziation bereits 1951 den Rücken kehren. Endgültig brach er mit der Kommunistischen Partei nach der Niederschlagung des Volksaufstandes in Ungarn.
Dieser Beitrag erschien zeitgleich im Hamburger Bothen #18 in der Rubrik "Bibliophile Empfehlung".
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