von Arnulf LiebingAusgehend von seiner langen Erfahrung als Sammler und Antiquar untersucht der Autor kritisch, welche Vor- und Nachteile für den Sammler aus der Wandlung des Marktes in den letzten Jahren entstanden sind. Dabei verliert er die eigentlichen Objekte, die Bücher und Grafiken, nicht aus den Augen, sondern beschreibt liebevoll viele Details. Nur hat sich eben teilweise der Blickwinkel etwas geändert. So wird beispielsweise gezeigt, wie moderne Computersatzprogramme Techniken anwenden, die Gutenberg erfand - und die scheinbar längst vergessen waren. Oder es wird einer Betrachtung unterzogen, wie durch den Internethandel ein neues Recht für Käufe entstand. Der Autor versucht, bei aller Liebe zum konservativen Sammeln, die neuen elektronischen Techniken dem Sammler näher zu bringen und aufzuzeigen, dass man sich deren Komplexität kaum entziehen kann.
è Königshausen u. Neumann
168 Seiten mit zahlreichen Abbildungen,
16 Farbtafeln und Begleit-CD.
Hardcover-Pappband m. Fadenheftung,
€ 34,80 CHF 60,90
ISBN 978-3-8260-3751-1è Bücher-Sammler
REZENSION
Wahrscheinlich geht den meisten Bücherfreunden zuerst der Gedanke durch den Kopf: Wieder eine Anleitung zum Sammeln von Büchern und Graphik! Wer seit Jahrzehnten als Bibliophile in Antiquariaten oder Auktionshäusern, auf Trödelmärkten und Graphikmärkten unterwegs ist, wird denken, solch ein Handbuch kann eigentlich nicht viel Neues bringen. Man hat seine Erfahrungen gemacht oder machen müssen und kennt die einschlägigen Bücher, in denen alles gesagt ist.
__ Daß man sich hier im Irrtum befindet, wird einem schnell bewußt. Der Computer hat eben nicht nur traditionelle Techniken der Buchherstellung abgelöst (das Objekt der Begierde ist, wenn es heute entsteht, nicht mehr dasselbe wie früher), sondern das Internet hat in den letzten Jahren auch das Sammeln stark beeinflußt und „vielleicht trivialer gemacht“, wie der Autor bereits im Vorwort feststellt (S. 7). Diesen Aspekt aus dem Auge zu lassen, wäre für das Sammeln genauso schädlich wie die Vernachlässigung von modernen Recherchemethoden oder das Ignorieren von Rechtsfragen.
__ Der Autor Arnulf Liebing ist selbst Sammler und hat als Antiquar in langjähriger Praxis Erfahrungen mit dem Wandel des von ihm beschriebenen Metiers gemacht. Der Inhalt des Handbuches erstreckt sich von ausführlichen Hinweisen zu Typographie, Illustration, Papier und Einband über Sammelobjekte, wie Pressendrucke und Exlibris, Untersuchungen über den Antiquariatsmarkt und das Internet bis hin zu Fragen des Rechts. Neben einem Verzeichnis wichtiger Fachbegriffe im Anhang ist auch der gesamte Inhalt übersichtlich gegliedert, so daß einzelne Beiträge nachgeschlagen und separat gelesen werden können. Die Abbildungen im Handbuch sind nicht nur ansprechend und machen Lust auf das Sammeln, sie sind häufig auch notwendige Bildbeispiele für die textlichen Erläuterungen, zum Beispiel um den Unterschied einer Originalschrift in 17 Punkt zu einer Schrift aufzuzeigen, die von 10 auf 17 Punkt skaliert wurde (S. 41). 16 Farbtafeln auf Kunstdruckpapier im Anhang geben nochmals einen schönen Einblick in die Welt des guten Drucks.
__ Das Buch beschäftigt sich nach kurzen Ausflügen in Geschichte des Buchdrucks und Grundlagenwissen zunehmend mit aktuellen Fragen. Insbesondere in Betrachtungen zu zeitgenössischen Entwicklungen wie dem Internethandel und den daraus erwachsenden rechtlichen Problemen konnte der Autor aus langen Diskussionen, die vornehmlich unter Antiquaren geführt wurden, schöpfen – ich nahm daran teil und fand im Handbuch treffende Zusammenfassungen. Gerade diese Abschnitte machen auch den Wert des Buches für den gestandenen Sammler aus, hier finden sich wichtige Fakten, die für zeitgemäßes Sammeln nicht mehr ignoriert werden können, denn es werden die wesentlichen Methoden, die die modernen Medien dem Sammler bieten, vorgestellt und mit ihren Vor- und Nachteilen sowie eventuellen juristischen Fallstricken erläutert. Völlig vernachlässigt dagegen werden leider im Buch die Vereinigungen von Bücherfreunden, der Gedankenaustausch und die bibliophilen Zusammenkünfte, die für viele Sammler ihre Passion erst abrunden. Offensichtlich entspricht dieser Aspekt des Sammelns nicht der Intention des Autors. Ich hätte mir im Handbuch einen deutlichen Hinweis oder eine Übersicht über diese Vereinigungen gewünscht. Zumindest hätte sich eine Linkliste angeboten – gerade, um einem „jungen Sammler“ den Weg zu Gleichgesinnten aufzuzeigen. So wird der bibliophil Interessierte nicht durch das Handbuch, sondern erst durch die im Buch angeregten Recherchemöglichkeiten im World Wide Web auf diese Gesellschaften aufmerksam werden.
__ Das Buch hat eine seinem Inhalt entsprechende solide Aufmachung: einen stabilen, glatten Pappeinband und (es gibt sie noch!) Fadenheftung. Beigelegt ist dem Buch eine CD, die neben nützlichen Links auch die Demonstrationsversion der von Liebig entwickelten Sammlersoftware PALplus enthält. Viele Bücherfreunde kennen und nutzen diese Software zum Katalogisieren der eigenen Bibliothek. Sie wir auch im Textteil vorgestellt. Bedauerlicherweise ist die CD innen auf dem hinteren Deckel eingeklebt, so daß das Vorsatzpapier bei der Entnahme leicht beschädigt werden kann. Diese CD erhebt leider nicht den Anspruch auf Vollständigkeit und eine Aufzählung von gerade mal drei (!) Bibliophilengesellschaften und sage und schreibe acht (!) Antiquariaten in Deutschland und in der Schweiz ist nicht nur unvollständig, sondern letztlich überflüssig. Der Autor verweist darauf, daß die Links „nach einer ganz persönlichen, individuellen Auswahl“ aufgenommen wurden. Sehr zu begrüßen ist dagegen, daß sich auf der CD alle wichtigen Recherchemöglichkeiten, wie Links zu Bibliographien und Katalogen wiederfinden, sowie ein nützliches „ergänzbares Wörterbuch“ mit gebräuchlichen Abkürzungen, welches man beim Suchen auf dem Rechner im Hintergrund laufen lassen kann.
Abel Doering
(Vorabdruck aus MARGINALIEN 193 / 1, 2009)