Sonntag, 5. Oktober 2025

Waseem Hussain/Sascha Reichstein, HABITUS

Das Buch des Monats der Schweizerischen Bibliophilen-Gesellschaft ist «Habitus» von Waseem Hussain und Sascha Reichstein.

«Habitus» ist ein Kunstobjekt, das sich mit Bedacht dem schnellen Zugriff entzieht – ein Werk, das zum langsamen Lesen, genauen Sehen und wiederholten Aufschlagen einlädt. Seine Gestalt spricht Bibliophile an, noch bevor der erste Satz gelesen ist.
Waseem Hussain (Text)
Sascha Reichstein (Ill.)
HABITUS
Ennetbaden: Verlag ars remata
editionR 2025
Der Text stammt von Waseem Hussain. Er begleitet den Protagonisten Khemji auf einer Reise ins Land seiner vermeintlichen Herkunft – eine Reise, die zwischen Traum und Imagination, Erinnerung und gegenwärtiger Erfahrung oszilliert. Die biografische Suche wird zur Reflexion über Herkunft und Identität in einem Indien, das Zugehörigkeit ebenso willkürlich zuspricht wie entzieht. Gesellschaftliche Kategorien wie Hautfarbe, Religion, Geschlecht oder soziale Herkunft bestimmen, wer dazugehört – oder eben nicht.
Seite 32/33
Parallel dazu entfaltet sich ein zweiter Erzählstrang in den Bildern: Sascha Reichsteins Fotografien zeigen Mineralien in extremer Nahsicht, aufgenommen im Naturhistorischen Museum Wien. Ihre kristallinen Strukturen wirken wie geologische Landschaften, fremde Planeten oder mikroskopische Fantasmen. Diese Bildwelt eröffnet ein visuelles Echo auf die Fragen nach Herkunft, Fremdheit und innerer Verfasstheit, ohne sie zu bebildern.
Der Band wurde in Bogenoffset auf zwei verschiedenen Papiersorten gedruckt, in Fadenheftung gebunden und mit einem auf den Buchblock zugeschnittenen Hardcover versehen. Die Gestaltung von Hanna Williamson zeichnet sich durch typografische Präzision und visuelle Ruhe aus. Die durchgängigen Bildstrecken, der reduzierte Einband, die Namen der Beteiligten lediglich auf dem Buchrücken: All dies verweist auf eine buchgestalterische Haltung, die nichts erklären, sondern Resonanzräume öffnen will. Ein Essay der Kulturwissenschaftlerin Silvia Henke ergänzt das Werk, ohne es zu deuten – als feinsinniger Kommentar zum Zusammenspiel von Wort und Bild.

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