Eine kleine Sammlung von Büchern im Regal der Ferienwohnung gehört fast schon zur Grundausstattung. Oft sind es „ausgelesene“ Schmöker, die von Vorgängern zurückgelassen wurden, manchmal aber haben die Vermieter planvoll eine nützliche Handbibliothek für den Touristen zusammengestellt, in der das Unterhaltende mit dem Informativen klug gemischt ist. So im „Weinquartier“ in Naumburg, wo sich ein Buch durch einen Haltungsschaden, einen schiefen Rücken, besonders bemerkbar machte. Der Einband war unprofessionell gefertigt, der Buchrücken des mit Hochglanzpapier bezogenen Pappeinbandes (ohne Rückenaufdruck) war einerseits zu breit geraten und der Buchblock schlotterte am Vorsatzpapier, weil andererseits das Shirting, das zur Rückenverstärkung verwendet wurde, zu knapp bemessen war; es ist mit nur etwa einen Millimeter Breite unter dem Vorsatzpapier auf den Buchdeckel geklebt.
Mein Interesse am Inhalt war sofort geweckt, als ich den Titel las: „Eberhard Kaufmann: Die Naumburger Weinberge von Roßbach bis Almrich“. (Naumburg a.d. Saale, Selbstverlag 2012, 287 Seiten, ISBN 978-3-00-038966-5) Die westlichen Hänge des Saaletals von Bad Kösen bis Freyburg hatte ich einst auf jugendlichen Stromereien erkundet und die dort gelegenen (damals oft verwilderten) Weinberge waren mir wohlbekannt. Dass jeder einzelne von ihnen eine lange Besitz- und Bearbeitungsgeschichte durchlaufen hatte, erfuhr ich nun durch Eberhard Kaufmann. Dieser, geboren 1936 und im Juni dieses Jahres verstorben, war ein Heimatforscher, wie man ihn sich wünscht. Er war mit allen einschlägigen Archiven, Sammlungen, Orten, Wegen, Gebäuden und Gegenständen vertraut, hatte Akten ausgewertet, die ehemaligen und heutigen Besitzer und ihre Nachfahren befragt, den heutigen Zustand dokumentiert und ein mit Abbildungen reich geschmücktes Buch erarbeitet, das für viele Leser auch außerhalb der Region interessant sein dürfte. Berichte über die besitzenden Familien, über das Schicksal der Häuser und der Terrassenanlagen und über Personen, die auch außerhalb des Weinbauthemas sich bekannt gemacht haben. Nachrichten über die Leipziger Romanschriftstellerin Benedikte Naubert (1752–1819), über ihr Arbeitsrefugium in einem der Weinberge; Mitteilungen über Aufenthalte Gerhart Hauptmanns im Hause der Familie Thienemann am Roßbacher Weinberg, die über das hinaus, was aus der Sekundärliteratur bekannt ist, weitere Einzelheiten liefern. Porträtbilder und Einzelheiten zu Leben und Werk des Malers Gerhard Knespel und des 1954 geborenen Dichters David Pfannek am Brunnen (Hildemar David Pfannek am Brunnen Hauschild), der etwa 20 Bücher im Selbstverlag oder in regionalen Kleinverlagen veröffentlicht hat, findet man nur in diesem Buch.
So wichtig dies alles auch sein mag, ihm wird, wie aller Regionalliteratur, der Weg in die Verborgenheit vorgezeichnet sein. Kaufmanns Weinbergbuch ist in der Deutschen Nationalbibliothek in Leipzig und Frankfurt a.M., in der Sächsischen Landesbibliothek Dresden und in Koblenz im Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz vorhanden. Im Buchhandel wird es, trotz ISBN, nur unter großen Mühen zu beschaffen sein. Immerhin wird es in einigen Buchhandlungen der Stadt Naumburg an der Saale angeboten. Wer es erwerben möchte, sollte es bei der Gutenberg-Buchhandlung versuchen. Ein Rabatt wegen des mangelhaften Einbandes wird wohl nicht zu erlangen sein.
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