Montag, 2. September 2024

Wolfram Schneider-Lastin, Fragen hätte ich noch

Im Buch des Monats der Schweizerischen Bibliophilen-Gesellschaft erzählen 30 Autorinnen und Autoren aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, Schriftstellerinnen und Schriftsteller, aber auch Menschen aus anderen Berufen, vom Leben ihrer Großväter und Großmütter. Die Erinnerungen aus dem Blickwinkel der Enkel zeigen den emotionalen, manchmal auch traumatischen Nachhall der Großelterngeneration über die Generationsgrenzen hinweg. Facettenreich und berührend spiegelt sich in ihnen das bewegte 20. Jahrhundert mit all seinen Höhen und Tiefen. Entstanden ist eine Sammlung sehr persönlicher, unter die Haut gehender Geschichten, wie sie in keinem Geschichtsbuch zu finden sind.
Die Großväter und Großmütter, die im Mittelpunkt der Erzählungen stehen, lebten im 20. Jahrhundert mit all seinen Höhen und Tiefen. Und es zeigt sich, dass kaum eine der Geschichten ausschließlich privat sein kann, sondern dass die gesellschaftlichen Bedingungen und politischen Umstände immer in das private Leben hineinwirkten.
Das Verhältnis der erzählenden Enkelkinder zu ihren Großeltern ist ganz unterschiedlich, es reicht von Zuneigung und Verbundenheit über Bewunderung bis hin zu Ablehnung und Hass. Selbst wenn ein Enkel erst nach dem Tod des Großvaters oder der Großmutter geboren wurde oder diese nur als kleines Kind erlebt hat, wirkt das Leben der Großeltern bewusst oder unbewusst in der Enkelgeneration weiter.
Viele Geschichten sind Ausdruck des Versuchs, sich in fortgeschrittenem Alter zu erinnern beziehungsweise die noch vorhandenen eigenen und fremden Erinnerungen zusammenzutragen, ein Versuch, der nicht selten in Ernüchterung endet, im Bedauern, die Großeltern nicht über ihr Leben, ihre Erfahrungen und Erlebnisse befragt zu haben, solange das noch möglich war. In einigen Erzählungen ist auch vom Schweigen in der Familie die Rede, welches durch das Niederschreiben der Geschichte durchbrochen wird.

Die Autorinnen und Autoren kommen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Da ihre Großeltern zum Teil aber in anderen Ländern lebten, finden sich im Buch auch Geschichten aus Italien, Frankreich, Polen, Tschechien, Ungarn, der Ukraine, Israel, Pakistan und der DDR. Und es zeigt sich, dass die Krisen des 20. Jahrhunderts, in erster Linie die beiden Weltkriege, der Holocaust, Flucht und Vertreibung, in den verschiedenen Ländern zu ganz unterschiedlichen Schicksalen führten.

Wolfram Schneider-Lastin (Hg.), Fragen hätte ich noch. Geschichten von unseren Großeltern
Zürich: Rotpunktverlag 2024
256 Seiten, 21.5 × 14.5 cm, Gebunden
ISBN 978-3-03973-039-1

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