Heinrich Vogeler: Exlibris für Kurt Freiherr von Reibnitz, 1912, Radierung |
In diesem Blatt fehlen florale Rahmen oder märchenhafte Szenen, wie wir sie vom Frühwerk Vogelers kennen. Das Exlibris ist stilistisch weit weg vom Jugendstil und realistisch gestaltet. Es zeigt uns in Rückenansicht einen Wanderer, der in alpiner Landschaft in einem Geröllfeld aufsteigt. Während einer Verschnaufpause stützt er seine linke Hand auf dem Knie und seine rechte in der Hüfte ab. Er genießt sichtlich den Ausblick und schaut in die aufgehende Sonne, die hinter einem steil aufragenden Bergmassiv am Horizont erstrahlt. Zwischen dem Wanderer und dem Berg in der Ferne liegen im Tal noch die Nebelschwaden des Morgens, so wie wir sie auch in dem Bild von Caspar David Friedrich sehen. Hoch oben am Himmel, vor einer dunklen Wolkenfront, gleitet ein einzelner Vogel. So frei wie dieser fühlt sich sicherlich auch der Wanderer. Auf einem Stein rechts im Vordergrund ist das Familienwappen des Freiherrn von Reibnitz, dem Eigner des Blattes, zu sehen. In der Komposition der Grafik greift Vogeler eine Symbolik auf, die in der aufkommenden Arbeiterbewegung der Zeit häufig genutzt wurde. Der Blick in Richtung Horizont, zur aufgehenden Sonne, symbolisiert die Hoffnung auf eine zukünftige, neue Gesellschaft.
Auch der Auftraggeber für dieses Blatt war als Adliger von sozialreformerischen Ideen geleitet. Er hieß mit vollem Namen Kurt Artur Gustav Hans Otto Freiherr von Reibnitz (1877–1937) und entstammte dem alten schlesischen Adelsgeschlecht von Reibnitz.
(Siegfried Bresler, gesamter Beitrag hier)
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