Bücherantiquariate existieren seit 200 Jahren. Auch wenn die Branche heute durch das Internet bedroht ist, gibt es immer noch passionierte Händler seltener und vergriffener Bücher. Claudia Mäder hat einen von ihnen, den Zürcher Antiquar Peter Petrej, in seinem Reich besucht und berichtet darüber in der NZZ:
«Ich bin Antiquar, weil das Geschäft so anarchisch ist»
... Als «Schrebergarten der Erinnerung» bezeichnet Peter Petrej denn auch sein Antiquariat, in dem er seit 21 Jahren Gedrucktes und Handschriftliches verschiedenster Themen und Epochen bis an die Stuckdecke wachsen lässt und mit An- und Verkäufen für den Fortbestand der raren Spezies der (alten) Bücher sorgt.
Aus der Zeit gefallen
Diesen Dienst vergilt ihm der Volksmund schlecht, ist der «Antiquar» doch kaum positiver konnotiert als sein Geschäft. «So manche Antiquare
sehen aus, dass, wären sie selbst Bücher, sie sich nicht verkaufen liessen», befand 1926 der deutsche Antiquar Wilhelm Junk und rügte das zerknitterte und kauzige Auftreten vieler seiner Berufskollegen. Es sei wohl unvermeidlich, dass man in quasi exklusiver Gesellschaft von Büchern etwas schrullig werde, pflichtet Petrej seinem berühmten Vorgänger bei – ohne aber seine eigene Zugehörigkeit zum Stand der Sonderlinge erahnen zu lassen. In Hemd und Gilet gewandet, serviert er dem seltenen Gast den Kaffee auf dem Silbertablett und scheint weniger der Welt der Käuze als jener der Walserschen Kontore entsprungen; aus der Zeit gefallen, möchte man sagen, ist der Besitzer wie sein Laden.
Bei dieser engen Verbundenheit ist klar, dass Petrej seine Arbeit nicht als Beruf sieht, sondern diese eine «Lebensform» nennt. Langsamkeit und Beständigkeit haben darin ihren Platz, aber ebenso prägen Engagement und Leidenschaft die antiquarische Daseinsweise. ...
... Petrej (versäumt) es nicht, auf die problematischen Aspekte der Digitalisierung hinzuweisen. «Das Internet suggeriert die totale Verfügbarkeit eines jeden Buches – ausser vielleicht der Gutenberg-Bibel. Mit ein paar zielgerichteten Bewegungen meint man alles zu bekommen, verliert aber tatsächlich das, was das Antiquariat am schönsten macht: die Zufallsfunde des Stöberns.» Neben diesen kulturellen beschert die Internet-Transparenz den Händlern freilich auch reale Verluste. Bücher, die früher als «selten» galten, tauchen plötzlich an allen Ecken und Enden der Welt auf und verlieren somit an Wert. In vielen Sparten habe das Netz die Preise richtiggehend vernichtet, sagt Petrej, der sich heute gezwungen sieht, allzu geläufige Bestände, darunter viel Belletristisches, direkt zu liquidieren.
Vom Krämer zum Schwärmer
In seinem weiterhin breit ausgerichteten Antiquariat setzt er nunmehr stärker auf «spezielle und alte», mithin also auch teurere Bücher. Dabei sind «speziell» und «alt» nicht zwingend identisch. Als interessante Publikation taxiert der Antiquar beispielsweise die Broschüre eines
Eisenwarengeschäfts aus den 1950er Jahren, derweil ihm als «alt» die Bibel aus dem Jahr 1585 gilt, die er für die Besucherin aus der Vitrine holt und dereinst für 3800 Franken an den Mann – «alle paar Jahre kommt ein evangelikaler Amerikaner und kauft die ganzen Bibelbestände auf» – zu bringen hofft.
Nun, auf dem Rundgang durch die verwinkelte Gestelllandschaft seines Ladens, wird der Krämer wieder zum Schwärmer, führt begeistert von Judaica bis Helvetica, streicht behutsam über einen illustrierten Tucholsky und präsentiert vorsichtig fragile «Stunden im Garten», zugebracht
und eigenhändig signiert von Hermann Hesse. Widmungen von Autoren seien, wie Gebrauchsspuren von namhaften Vorbesitzern, sehr beliebt und je nach Berühmtheitsgrad auch wertsteigernd: ...
Petrej denkt nun wieder ans Geschäft, in dem er auch NS-Postkarten verkauft; laut Katalog in «tadellosem» Zustand. Der Antiquar sei schliesslich kein Zensor, entgegnet er dem fragenden Blick mit äusserster Entschiedenheit. «Ein Rohrstock frischt die Ehe auf» schlägt er mir dann schelmisch lachend vor, als ich sein Sortiment nach einem Hochzeitsgeschenk durchstöbere – und unterstützt die Suche daraufhin mit so viel Lust und Leidenschaft, dass man ihm aufs Wort glaubt, wenn er sagt: «Ich bleibe Antiquar, bis man mich horizontal aus dem Laden trägt: Lieber im Antiquariat sterben als im Altersheim!» – Staub zu Staub.
(aus Beilage zur "NZZ am Sonntag" vom 31.8.2014)
Petrej denkt nun wieder ans Geschäft, in dem er auch NS-Postkarten verkauft; laut Katalog in «tadellosem» Zustand. Der Antiquar sei schliesslich kein Zensor, entgegnet er dem fragenden Blick mit äusserster Entschiedenheit. «Ein Rohrstock frischt die Ehe auf» schlägt er mir dann schelmisch lachend vor, als ich sein Sortiment nach einem Hochzeitsgeschenk durchstöbere – und unterstützt die Suche daraufhin mit so viel Lust und Leidenschaft, dass man ihm aufs Wort glaubt, wenn er sagt: «Ich bleibe Antiquar, bis man mich horizontal aus dem Laden trägt: Lieber im Antiquariat sterben als im Altersheim!» – Staub zu Staub.
... der ganze Artikel in "Bücher am Sonntag" der NZZ, S. 12-14
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