Montag, 11. August 2025

NIX FÜR DIE KATZ – Zum Tod von Jens Henkel

Einige Mal war ich in Rudolstadt bei Jens und Renate Henkel. Bei meinen ersten Besuchen lag Jens Büro noch über der Stadt in den oberen Etagen der Heidecksburg. Unten bei der Anmeldung stellte ich mich als Dr. Fischer aus Berlin vor und so wurde ich nach oben geleitet. Gemeldet wurde dann folgerichtig ein Dr. Fischer aus Berlin und Jens war überhaupt nicht verwundert mich zu sehen – als würde gleich ein Gespräch von Kustos zu Kustos beginnen. Er zeigte mir dann die Säle der Heidecksburg, Waffensammlung, Roccoco en miniature und die Bibliothek mit den seltenen botanischen Büchern von Johann Hieronymous Kniphof (1704 – 1763). Die Pflanzenabbildungen aus den Büchern dienten mir dann als Vorlage für das Künstlerbuch Kniphofia obscura, das im gleichen Jahr in der burgart presse erschien. Vorgestellt wurde diese Edition auf der Frankfurter Buchmesse 2012 und die burgart presse war wie geplant das letzte Mal dort. Jens wollte sich diese Buchmesse nicht mehr antun. In Leipzig war er ja noch bis 2018 mit seinen Editionen vertreten. Frankfurt war nervig, laut, eng, voll, teuer und man schlief bei Freunden oder Bekannten und ging denen fünf Tage lang vielleicht auf die Nerven, weil Hotels in Frankfurt zur Buchmesse entweder ausgebucht oder zu teuer waren. In späteren Jahren quartierten Jens und ich uns in Bad Vilbel ein. Jahrelang war die burgart presse zu Gast bei Wolf Rosenthal in Bergen-Enkheim und es war über ein Jahrzehnt lang eine Art Tradition, dass ich mich mit Jens und Wolf einen Abend während der Buchmessenzeit in Bergen-Enkheim traf.
Jens Henkel, Mein Käseheft (1963)
Ich erinnere mich nicht mehr genau daran, wann ich Jens kennen gelernt habe und wo es war. Jedenfalls auf einen der Buchmessen in Leipzig oder Frankfurt in den 1990er Jahren. Er wirkte auf mich zunächst nicht wie ein Verleger sondern eher wie ein Direktor einer Kulturinstituts und ihm eilte der Ruf voraus, ein sehr guter Verkäufer zu sein. Immer in derselben Buchmessen-Uniform: schwarzer Anzug, schwarze Schuhe, weißes Hemd. Und er war tatsächlich ein sehr guter Verkäufer, was an seinen Büchern und seiner Ausstrahlung lag. Wer ihn nur kurz kannte, spürte bald seine integrative und herzliche Ausstrahlung, seinen Humor und seine Souveränität. Keine Spur von Eile, Druck, Verkaufenmüssen. Und auf jeder Messe war der Stand der burgart-presse bei den Künstlerbüchern der Platz, wo man sich traf, ein Hotspot von Sammlern und Sammlerinnen, Künstlerinnen und Künstlern.
Die burgart-presse war ein eigener Kosmos. Parallel zu seinem Beruf als Historiker in einem der größten Barockschlösser Deutschlands begann Jens Henkel in den 1980er Jahren mit dem Sammeln von Künstlerbüchern des DDR-Untergrunds.
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Weihnachten bei den Henkels.
Doch "Alles für die Katz"?
Foto: Jens Henkel
2020 erschien das letzte Buch der burgart presse Alles für die Katz – Dreissig Jahre burgart. Im Herbst wütete Corona besonders stark in Thüringen. 2023 schickte er mir ein Foto mit Bodo Ramelow bei der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes für herausragend kulturelle Leistungen. Alle drei Monate schickte ich ihn mein DIARIUM. Oft bestätigten wir uns darin, dass wir froh sind, nicht mehr auf Buchmessen verkaufen zu müssen. Und er erzählte mir von seinen Reisen, oft nach Ahrenshoop, wo er in diesem Jahr noch 25 km mit dem E-Bike gefahren ist. Ein Wiedersehen war immer geplant. In diesem Sommer wollte ich wieder einmal nach Rudolstadt fahren, aber es gab Komplikationen, Klinikaufenthalte und es kam nicht mehr dazu. Renate Henkel schrieb mir am 7. August eine Nachricht, dass Jens gestorben ist – friedlich um 13 Uhr 50. Ohne sie hätte er all die Jahre wahrscheinlich nicht überlebt. Und es waren noch sieben gute Jahre. Ich bin glücklich darüber, ihn kennengelernt zu haben und sein Freund zu sein.

(Hartmut Andryczuk, weiterlesen auf Hybriden-Verlag)

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