Wenn ein Buch im Schmuddel der Grabbelkisten eines Flohmarktes schon durch
seine äußere Erscheinung auffällt und die Aufmerksamkeit des
Vorbeischlendernden auf sich zieht, dann wird der Einheitspreis von zwei Euro,
den der Händler sowohl für ein schiefgelesenes lappiges Taschenbuch wie auch
für diesen schmucken Halbfranzband verlangt, gern entrichtet und das Buch wird
ungeöffnet, blindlings wie ein Holzstück oder Papierpaket eingesackt und
davongetragen, wobei im Herzen des Käufers die stille Hoffnung keimt, es könnte
etwas Überraschendes, etwas Hervorragendes, etwas ganz Besonderes und
Einmaliges sein, was er da als noch unbekannten Buchbesitz nachhause trägt.
Es war, von außen besehen, ein wirklich schönes Bändchen, das ich da
mitgenommen hatte: das matt glänzende hellbraune Leder war nur an wenigen
Stellen stumpf aufgeraut; dort wo es an das (ebenfalls hellbraun) gekörnte
Bezugspapier stieß, war es mit feinen Filetenstrichen gekerbt; die ausgefitzten
Bünde fühlte ich als schwache Erhöhung durch das Leder; der Schnitt, vorn
wohlgerundet, allseits rot eingefärbt, der Rücken durch drei breitere Streifen
eines goldgeprägten geometrischen Kreuzblütenmusters gegliedert, oberhalb mit
einem rotbraunen Titelschildchen und weiter unten mit einem blauen Zierschild
versehen; das zweifarbige Kapital oben und unten fast unter der Rundung des
„Häubchens“ verborgen – – – fast wäre mir in meiner Besitzerbegeisterung
entgangen, dass unten zwischen den Seiten ein seidenes Lesebändchen
herauszipfelte. Nun aber erst die Qualitäten des Vorsatzpapiers! Über einem
zarten Grau mit millimeterfeiner waagerechter Riffelung war nach Art von
Renaissancetapeten ein sich in der Senkrechte wiederholendes florales Muster
mit Groteskfiguren in Steindruckgrün gebreitet. Darauf im Vorderdeckel ein
Exlibris (Schwarz auf Chamois) von „Dr. F. Arnold Mayer, Wien“ (Älterer Mann
mit weitem Mantel und Barett, in einem Lehnstuhl sitzend und in einem Folianten
lesend am offenen Butzenscheibenfenster mit Blick auf eine weite, flache
Landschaft). Rechts oben in einem kleinen Wappenfeld die verschränkten
Künstlerinitialen JF oder FJ, zusätzlich war auf dem unteren Rand auch der
Drucker „Consee, München“ angegeben. Was hatte ich da für einen Schatz in der
Hand?! ... weiterlesen!
(Ulrich Goerdten)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen