Am Anfang ist die Zeichnung. Sie gebiert die Radierung, die Lithographie oder den Siebdruck. Die Drucke ruhen mitunter lange, bevor der Zeichner und Graphiker zum Pinsel greift und sie übermalt. Peter Schnürpel ist ein leidenschaftlicher Zeichner, und er ist Leipziger mit Leidenschaft. Dort wurde er 1941 geboren, studierte er an der Hochschule für Grafik und Buchkunst und lehrte an der Leipziger Universität. Nach seiner Berufung zum Professor war er 1993 in Schneeberg Gründungsdekan des Fachbereiches Angewandte Kunst der Westsächsischen Hochschule Zwickau. In diesem Frühjahr war in der Galerie im Schloss Hinterglauchau unter dem Titel Eines zum Anderen eine Ausstellung mit Arbeiten von Peter Schnürpel zu sehen. Im Berliner Verlag jovis art sind unter gleichem Namen neben einem Buch aus der Reihe Kunstquadrate drei Sammlereditionen erschienen mit Zeichnung, Druckgrafik und Übermalung. Dies ist auf den ersten Blick nichts Besonderes. Es gibt Kunstbücher und Editionen wie Sand am Meer. Je nach Geldbeutel und Geschmack kann der Sammler seine Scheine an der Börse der Kunst anlegen. Aber dort ist Schnürpel nicht gelistet. Er hat keinen Galeristen. Er arbeitet nicht für den Markt. Insofern sind die Editionen von jovis eher Angebote an den Graphikfreak. Der menschliche Körper in seinen Haltungen, Gesten und Bewegungen kann ein Künstlerleben ausfüllen, meint Peter Schnürpel. So gesehen zeigt die Ausstellung im Schloss Hinterglauchau wichtige Teile aus einem Lebenswerk. Läufer – Träger – Tänzer ist der Text von Dieter Gleisberg im Buch zur Ausstellung überschrieben. Drei Worte für fünf Jahrzehnte des Zeichnens, Druckens und Übermalens. Die „Läufer“ laufen von der Aschenbahn auf das Papier. Sie sind gequält im Taumel des Sieges. Die „Träger“ tragen des Anderen Last. Sie tragen den leidenden Freund. Und die „Tänzer“? Es sind schwarze Tänzer. Totentänzer? Das klingt nach apokalyptischer Vision, nach Weltuntergang. Weit gefehlt. Das Thema des Zeichners, Graphikers und Malers Peter Schnürpel ist das Leben, der lebendige Mensch, der Lebensfrohe, der Lebensbejahende. Ob als siegessüchtiger, höchstleistungsfähiger Athlet in jungen Jahren, ob als barmherziger Träger im reifen Alter oder am Ende des Lebens mit dem Tod im Arm im Tanze. Tanz ist Freude. Auch der Totentanz. Schnürpel nimmt mit seiner Kunst den Schrecken vor dem Unausweichlichen. Und er tut dies in Variationen. Indem er „Eines zum Anderen“ fügt und dabei immer wieder neue Ausdrucksmöglichkeiten sucht. „Im Grunde sehe ich Zeichnungen, Drucke und Übermalungen nicht in Konkurrenz zueinander. Sie bekommen im glücklichen Falle je etwas sehr Eigenständiges.“ Das wurde im Schloss Hinterglauchau sehr deutlich und ist in dem im jovis Verlag Berlin erschienenen Buch vorzüglich dokumentiert. Das Buch ist eine der wenigen Publikationen zum Werk des in Altenburg lebenden Leipziger Künstlers. Es enthält neben dem erwähnten Text von Dieter Gleisberg ein Essay des Kunsthistorikers Norbert Wolf, überschrieben mit Exkursionen in die Tiefe. Zu den Übermalungen der Drucke schreibt Wolf: „Es ist verblüffend, wie sie dadurch oft noch an kompositorischer Dichte gewinnen!“ Und Dieter Gleisberg findet in seinen Ausführungen ein schönes Bild für das, was mit einem Druck passiert, wenn Peter Schnürpel zum Maler wird: „Nie folgt der Pinsel ängstlich dem Motiv, sondert umspielt und überformt es wie Gesang das Wort.“
(Klaus Peschel)
Peter Schnürpel: Eines zum Anderen. Mit Texten von Dieter Gleisberg, Thomas Matuszak und Norbert Wolf. Berlin: Jovis, 2012. 64 S., zahlr. Abb. 24 x 24 cm. Hln. (= Kunstquadrate.) 28 Euro. ISBN: 978-3-86859-172-9.
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