Mittwoch, 31. Juli 2024

Andreas Raub: Eigenexlibris – Burg Kakesbeck

Hinter dem Ensemble; ein eisernes, sechseckiges Zwinginstument, das eine mittelalterliche Burganlage einrahmt, verbirgt sich die Geschichte des Ritters Lambert von Oer (1440 -1522), dem im Laufe einer langjährigen Fehde, in der es um Ansprüche auf Ländereien ging, im hohen Alter von achtzig Jahren von seinem Widersacher eben jenes Schmuckstück mit vier innenliegenden eisernen Dornen umgelegt wurde, auf dass er einen Überlassungsvertrag für die Ländereien unterschreibe. Wie schmerzhaft! Lambert trotzte diesem grausamen An-sinnen auf seine Weise und konnte das eiserne Folterinstrument wieder loswerden. 
Das eiserne Halsband ist nicht als Teil der Burg dargestellt, sondern hält die Burg gewisser-maßen in Schach, überdimensional und bedrohlich. Es gibt kein Entrinnen. Kein Außen, keinen Ausgang, der Schließmechanismus des Instruments verborgen und nicht zu öffnen von irgendjemandem. Geheim halt. Der Künstler nimmt die Außenperspektive ein, doch wohl eher für den Betrachter, der für gewöhnlich keinen Zugang hat. Er selbst pendelt zwischen der Innen- und Außenwelt und kann sich verschiedene Blickwinkel erlauben. Hier zeigt er sich frei von den Zwängen des Halsbands, wähnt sich außen in Sicherheit, der Schlüssel-lochblick kommt einem da dennoch nicht von ungefähr in den Sinn. Wer blickt hier wohin?
Andreas Raub überführt das Motiv der Burg Kakesbeck mit der ihm eigenen Skepsis in die Zirkel der DEG, in eine Institution seiner zweiten bedrohten Leidenschaft – oder doch ersten?
Die Vielschichtigkeit dieser Radierung fasziniert in mehrfacher Hinsicht. Zum einen zeigt sich hier ein großartiger Radierer von seiner persönlichen Seite, was seine Bedenken hinsichtlich der Entwicklung der Burg Kakesbeck angeht, deren Stiftungskuratorium er wie auch der Verfasser dieser Zeilen angehört, zum anderen trifft er mit dieser feinen Arbeit den Nerv der einen seiner seiner großen Leidenschaften. Hier verdeutlicht sich die Liebe zum Metier, zur Burg Kakesbeck und zur DEG gleichermaßen, auf siebenundachtzig Quadratzentimetern.
Was bleibt?
„Das Bleibende stiften die Dichter“, heißt es bekanntlich allenthalben. In meinen Augen stiftet Andreas Raub hier Bleibendes, verbunden mit der Mahnung, Altbewährtes und Wertvolles nicht leichtfertig aufzugeben, erst recht nicht einer Schlüssellochperspektive feilzubieten, von der aus man später leicht eine Haltung zu rechtfertigen im Stande ist, die da lautet: „Das eiserne Halsband hatte uns im Griff.“
Es gilt, den Schließmechanismus zu finden und zu öffnen. Lambert von Oer hat schon vor mehr als 500 Jahren eine Lösung gefunden – wenn auch eher unkonventionell und ohne Schlüssel.

(Peter Barth gemeinsam mit Andreas Raub Kuratoriumsmitglied der Stiftung Dr. Wilfried und Hildegard Grewing – Burg Kakesbeck)

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