Die Klassik Stiftung hat für die Herzogin Anna Amalia Bibliothek eine wertvolle Sammlung von 195 Faust-Drucken in Einbänden des Weimarer Buchbindermeisters Otto Dorfner (1885–1955) erworben. Die meisten Einbände wurden zwischen 1946 und 1955 gefertigt, einzelne Stücke reichen aber bis 1913 zurück, als Dorfner ein Ornament Henry van de Veldes verwendete. Miniaturbücher sind ebenso vertreten wie großformatige Ausgaben, schlichte Drucke genauso wie künstlerische Editionen und Pressendrucke. Kennzeichnend für Dorfner ist neben den handvergoldeten Schnitten die Gestaltung von Ganzledereinbänden mit geraden oder gebogenen Linien. Sie wird als »Linien-Stil« oder »Dorfner-Stil« bezeichnet.
Die Erwerbung des Ensembles durch die Herzogin Anna Amalia Bibliothek erlaubt stilistische und materialtechnische Vergleiche und belegt, mit welcher handwerklicher Meisterschaft und künstlerischer Sensibilität einer der bedeutendsten deutschen Buchbinder gearbeitet hat.
Für die Bibliothek bedeutet die Erwerbung eine willkommene Ergänzung der bestehenden Faustsammlung. Die Weimarer Faustsammlung mit ihren nunmehr 16.000 Stücken ist die weltweit größte Sammlung zu diesem literarischen Thema und geht auf die Kollektionen zweier Privatleute, Gerhard Stumme und Alexander Tille, zurück. Von 2006 bis Juli 2011 wurde die Faustsammlung – gefördert aus Mitteln der H.W. & J. Hector Stiftung – neu katalogisiert und, soweit urheberrechtlich erlaubt, digitalisiert. Mehr als 3.000 Titel sind seither über die Internetseite der Klassik Stiftung Weimar einsehbar.
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Von den Faust-Ausgaben, die Dorfner zum Einbinden verwendete, sind über ein Viertel, nämlich 46 Ausgaben, nach 1946 erschienen. Der Anteil der Verlage in den westlichen Besatzungszonen, beziehungsweise der jungen Bundesrepublik, überwiegt dabei. Die Orientierung auf Goethes Faust erscheint somit als gesamtdeutsches Phänomen.
Der erste von Dorfner entworfene und ausgeführte Einband zu Goethes Faust datiert von 1913 Das benutzte Ornament ist ein Prägestempel nach dem Entwurf von Henry van de Velde. Unter diesem Ornament und in je drei angeschnittenen Kreisen, sind hauchdünn geschärfte Lederauflagen, deren brauner Farbton sich von dem braunroten Ziegenleder des Einbandes in verblüffender Bescheidenheit kaum abhebt. Im Widerspruch dazu steht die filigrane Arbeit: Sind hier doch – Vorder- und Rückendeckel zusammengezählt – 70 Lederauflagen appliziert, deren Klebekanten durch Goldlinien niedergehalten und verborgen werden. Beim Handvergolden wird z.B. eine Linie erst blind mit einer erhitzten Messinglinie (Filete) in das Leder gedrückt. In diese Markierung wird dann Eiweiß gepinselt und Blattgold aufgelegt, das sich dann in die Vertiefung schmiegt. Die heiße Filete wird nun in diese Vertiefung geprägt, um das Gold mittels des Eiweißes ins Leder zu backen.
(Timm Schulze M.A.)
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