Gisela Kurkhaus-Müller, „Akt mit Krabbe“, Radierung 1979 |
Grafische Kostbarkeiten befinden sich gewöhnlich wohlbehütet in Schubern und Sammlungsschränken, und nur wenige wissen um den Reichtum. Das gilt ganz besonders für die rund 13.000 Druckgrafiken von knapp einhundert Künstlern der DDR aus den Jahren 1949 bis 1989, die sich im Kunstarchiv Beeskow befinden. Simone Tippach-Schneider hat daraus als Kuratorin mit fünfzig Arbeiten die Ausstellung „Versteinerter Reiter“ zusammengestellt. Diese war vor der Eröffnung am Sonnabend mit Hilfe der Kofinanzierung durch den Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung speziell zugunsten grenzübergreifender Zusammenarbeit im Muzeum Lubuskie in Polen zu sehen.
Dass wenigstens ein Bruchteil dieser Druckgrafiken wieder ans Tageslicht gelangt, ist ein großes Verdienst, kommt ihnen doch nicht nur künstlerische Bedeutung zu. Vielmehr zeigen sie die Wirklichkeit in einem parteipolitisch dominierten Staat aus einem anderen Blickwinkel, sozusagen aus einer Nische. Simone Tippach-Schneider hat ganz richtig festgestellt, dass der Grafik der DDR ein „demokratischer Impuls“ innewohnte, „weil sie – abseits der Staatskultur – massenhaft und öffentlich zugänglich war“. Sie habe fernab von thematischen Vorgaben eine eigene künstlerische Sprache entwickelt, bei der die Hinwendung zu sehr persönlichen Sichtweisen und die Einbeziehung neuer Medien zu beobachten war.
Das ist an dieser Auswahl sehr gut nachvollziehbar, und man findet viele bekannte Namen wieder, wie etwa Arno Rink, dessen Lithografie „Versteinerter Reiter“ von 1978 zu Pablo Nerudas „Großer Gesang“ den Titel gegeben hat, sodann beispielsweise Matthias Wegehaupt, Charlotte E. Pauly, Wolfgang Mattheuer, Bernhard Heisig, Trakia Wendisch und Hubertus Giebe. Auch wenn in einer Sammlung von staatlicher Auftragskunst nicht unbedingt die Spitzenblätter dieser Künstler zu erwarten sind, ist es doch schön und aufschlussreich, ihnen wieder zu begegnen, da ihnen im heutigen bundesdeutschen Kunstbetrieb nur noch eine untergeordnete Rolle zugestanden wird. So findet sich von Max Uhlig eine seiner ganz frühen Arbeiten, von denen er sich schon seit Längerem distanziert: die Lithografie „Baustelle“ von 1963. Sie entspricht als Darstellung einer Produktionsstätte den damaligen kulturpolitische Intentionen. Was aber ist wirklich zu sehen? Ein eingerüsteter Wohnkoloss, der wie ein Käfig wirkt. Bei Sabina Grzimeks Lithographie „Die Straße“ von 1967 wiederum dominiert ein bedrückender schwarzer Häuserblock das Bild. Auch bei ganz privat erscheinenden Bildern mag im Unterbewusstsein ein gesellschaftliches Unbehagen eingeflossen sein. Gisela Kurkhaus-Müllers Radierung „Akt mit Krabbe“ ist 1979 nach einem schönen Bulgarienurlaub entstanden. Warum aber wirkt die übergroße Krabbe über dem Kopf der Frau im Pool so bedrohlich? Dazu kann die Künstlerin heute nichts sagen. Es seien ja nur Souvenirs gewesen, die sie dargestellt habe. Auch wie die Grafik in die Sammlung von Auftragskunst gekommen ist, wisse sie nicht. Sie habe immer nur an private Sammler verkauft. Wie dem auch sei: Es ist viel Interessantes in dieser Ausstellung zu entdecken.
(Elke Lang)
(Elke Lang)
Ausstellung: 28. Januar bis 29. April 2012,
es erscheint ein dreisprachigem Katalog
è Burg Beeskow
Archiv, Lese- und Medienzentrum
des Landeskreises Oder-Spree
Frankfurter Straße 23, 15848 Beeskow
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