Seit Ende 2020 nennt das
Deutsche Buch- und Schriftmuseum eine Sammlung von annähernd 3.000 Buchtüten sein eigen, die der Leipziger Verleger und Buchhistoriker
Mark Lehmstedt über mehr als zwei Jahrzehnte auf seinen Reisen durch die Buchhandlungen und Messen in Deutschland, Europa und auch darüber hinaus zusammengetragen hat. Was sich „
ursprünglich durch simples Nicht-Wegwerfen“ angehäuft hatte, bekommt mit den Jahren eine Systematik, die ersichtlich macht, was die Buchtüte kulturhistorisch ausmacht. Nachdem Lehmstedt bereits kistenweise Buchtüten aufgehäuft hatte, bat er im Herbst 2020 durch ein Rundschreiben an etwa 500 Verlage und 1.500 Buchhandlungen im deutschen Sprachraum und durch einen Appell in der Zeitschrift ‚
Aus dem Antiquariat‘ um breite Unterstützung. Daraufhin strömte eine Flut von Tüten in das Leipziger Verlagsbüro. Die vielgestaltigen, auch international zusammengetragenen Ephemera sind ein Beispiel, wie sehr Museum und Archive von privater Sammelleidenschaft profitieren. Das gilt ganz besonders im Kontext historischer Verbrauchsmaterialien wie der Tüte, die die Zeitläufte selten überdauern.
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| Buchtüten aus der Sammlung, Fotos: Mark Lehmstedt & DNB/Christine Hartmann |
Als Verpackungs- und Transportmedium für das Buch ist die Buchtüte ein Zeugnis der Buchhandelsgeschichte. Sie ergänzt den unikalen Bestand des Museums an buchhandelsgeschichtlichen Archivalien und Dokumenten als eines der Alleinstellungsmerkmale des Museums. Der Handel mit gedruckten Büchern hat spätestens mit dem Aufkommen von Messekatalogen im 16. Jahrhundert immer auch nach Möglichkeiten gesucht, für das Buch zu werben. Ob sachlich, selbstbewusst oder knallbunt: Der für das Lesen werbende Aufdruck der Buchtüte spiegelt nicht nur Anspruch und Realität, sondern auch Erfolge und Krisen des Buchhandels. Als Barometer der Buchbranche sind sie wichtige Zeitzeugen, gesammelt wurde das Wegwerfprodukt Buchtüte bislang aber nirgends. Sowohl in der begrenzten Lebensdauer als auch der fehlenden Aufmerksamkeit des Sammlermarktes ist die Buchtüte verwandt mit vielen anderen Beständen der Buchhandelsgeschichte, die in den Depots des Deutschen Buch- und Schriftmuseums lagern und als historische Verbrauchsmaterialien retrospektiv nobilitiert werden. Nach Jahrzehnten, Jahrhunderten haben viele von diesen Beständen in ihrer Seltenheit unikalen Wert, zum Beispiel die umfangreiche Sammlung von Messkatalogen. Als Verbrauchsmaterial produziert, kommt der Buchtüte erst mit zeitlicher Distanz der Status von Kulturgut zu, dem allgemeingültige Aussagen über historische Entwicklungen zugetraut werden. Dabei ist die Buchtüte nicht nur für die Buchhandelsgeschichte interessant, vielmehr steht ihre Geschichte an der Kreuzung ganz unterschiedlicher wissenschaftlicher Disziplinen: Neben der Alltags- und Wirtschaftsgeschichte sind es die Industriegeschichte oder die Design- und Konsumgeschichte. ...
(
Stephanie Jacobs und
Benjamin Sasse, kompletten Artikel
hier lesen)
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