Freitag, 13. Juni 2025

Das blaue Buch

»Der Entschluss ist gefasst. Ich werde ab heute wichtige Einzelheiten des Kriegsalltags aufzeichnen. Ich will es tun, damit ich sie nicht vergesse, und bevor sie, je nachdem wie dieser Krieg ausgehen wird, mit Absicht und auch absichtslos allgemein vergessen, verändert, gedeutet oder umgedeutet sein werden.« So beginnt Erich Kästner am 16. Januar 1941 sein 2006 unter dem Titel ›Das blaue Buch‹ erstmals veröffentlichtes Kriegstagebuch, in dem er bis 1945 notiert, was sich an der Front und in Berlin ereignet.
Der Schriftsteller, Publizist, Drehbuchautor und Lyriker (1899–1974) hat die leeren Seiten des blau eingebundenen Buchs von vorn und hinten beschrieben. Weil sein Tagebuch die ungeschminkte Wahrheit enthalten sollte, traf Kästner Vorsichtsmaßnahmen: Das Buch ließ sich unauffällig in seine Bibliothek einreihen; und wie schon für seine Roman-Notizen benutzte er die Gabelsberger-Kurzschrift, ein zusätzlicher Schutz vor ungebetenen Lesern bot, auch wenn Kurzschriften damals noch keineswegs so unüblich war wie heute. Wie wichtig ihm das Tagebuch war, auch wenn er es über lange Zeiträume nicht fortsetzte, zeigt die Tatsache, dass er es in den Berliner Bombennächten in einer Aktentasche bei sich hatte – so überstand es 1944 die Zerstörung seiner Wohnung. Lange Zeit galt es als verschollen, erst bei den Vorarbeiten zur Gesamtausgabe zu seinem 100. Geburtstag wurde es im Nachlass seiner Lebensgefährtin Luiselotte Enderle wieder aufgefunden.
(© Deutsches Literaturarchiv Marbach)

Keine Kommentare: