Donnerstag, 4. August 2016

Verhaftete Autoren in der Türkei

Ich höre nichts. Ich höre nichts vom Internationalen PEN, ich muß mir wohl selber zuhören, was langweilig ist, weil ich ja weiß, was ich denke.
[...]
Elfriede Jelinek, (Foto: G. Huengsberg
Ich höre nichts von meinen (Schriftsteller-)Vereinigungen. Vielleicht stecken sie derzeit ja im Gefängnis ihrer Badehosen oder Bikinis an irgendeinem Strand fest. Da ich nichts höre, (vielleicht höre ich aber doch noch was, vielleicht morgen, trotzdem), muß halt ich etwas sagen: Ich fordere die Freilassung aller offensichtlich willkürlich Zusammengefangenen in der Türkei, denen man keine Schuld an einem Putsch nachweisen kann. Und ich fordere hier ausdrücklich die Freilassung (vielleicht ist sie ja schon passiert, was weiß ich, die Wellen kommen ja und gehen, manchmal schneller, als man schauen kann) von zwei alten Männern:
Sahin Alpay, 72 Jahre, Politikwissenschaftler und Journalist, und Hilmi Yavuz, 80 Jahre, Schriftsteller, mein Kollege. Sie sind alt, und sie bekommen nicht einmal ihre Medikamente. Vielleicht hat sich auch das inzwischen geändert, ich hoffe es. Ja, brüllt nur und fahnenschwenkt, ihr, wie das Meer, aber aus Menschen. Und das Meer gibt einzelne Menschen nur widerwillig frei.
Das Menschenmeer auf den Straßen, das angeblich die Demokratie retten will, indem es sie verspottet und zerstört, soll sich teilen vor keinem Gott, aber vor mir, und es soll wenigstens diese beiden alten Männer loslassen und herausgeben, ich verlange das, bevor niemand mehr Wechselgeld hat und die Demokratie, für die die Fahnenschwenker, in denen der Haß schwappt, kämpfen, vielleicht in gutem Glauben, unbezahlbar geworden ist, weil dann jeder zahlen muß und nicht mehr wissen wird, wofür.
(Elfriede Jelinek, 3.8.2016)

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