Dienstag, 26. November 2024

„Durchgeknallt und abgebrannt“

Im Mittelpunkt der Ausstellung „Durchgeknallt und abgebrannt“ steht ein noch nie gezeigter Teilbestand der Kunstbibliothek aus dem 16., 17. und 18. Jahrhundert: Über 70 teils großformatige Kupferstiche sowie rund sowie rund 40 historische Bücher, die über die Entwicklung des Feuerwerks für Kriegs- und Festzwecke Auskunft geben.
Unbekannt, Feuerwerk, um 1902/04, Detail © Staatliche Museen zu Berlin, Ethnologisches Museum / Prof. Dr. Xiaobing Wang
Die Ausstellung beginnt mit einem Blick in die globale Geschichte des Feuerwerks und widmet sich dann den europäischen Höfen des Absolutismus als Hotspots, an denen sich Feuerwerk im ganzen Spektrum zwischen Genie und Wahnsinn entfalten konnte. Mit kriegerischem Ernst, herrschaftlichem Repräsentationsanspruch und medienwirksamer Ressourcenverschwendung überboten sich Akteure aus Versailles, Wien, München und Dresden. Die ausgestellten Kupferstiche bezeugen ein pyrotechnisches Wettrüsten der Höfe. Friedensbeschlüsse, Jubiläen, Bündnisbekundungen, Geburten, Hochzeiten und Taufen waren willkommene Anlässe, mit künstlichen und im Augenblick vergehenden Himmelsspektakeln bleibenden Eindruck zu machen.
Unbekannt, Feuerwerk in Nürnberg, nach 1665, Detail © Staatliche Museen zu Berlin, Kunstbibliothek / Dietmar Katz
Die Feuerwerkskunst ist eine genuin interdisziplinäre Kunstrichtung. Jedes Feuerwerk war das Ergebnis einer monatelangen Zusammenarbeit von Architekten, Bühnenbildnern, Pyrotechnikern, Choreographen und Musikern. Auch die sogenannte ‚Kriegskunst‘ mischte mit. Feuerwerkstraktate wie „De la Pyrotechnia“ (1540) von Vanoccio Biringuccio oder die „Halinitro-Pyrobolia“ (1627) von Josef Furttenbach entstanden auf der Grundlage militärischen Wissens. Und schließlich waren auch die in Kupfer gestochenen Darstellungen von Feuerwerken eine Kunst für sich. Lange vor Erfindung des Films vollbrachten die bildenden Künstler filmische Wunder. Sie bannten die Sensationen eines abendfüllenden Feuerwerksprogramms in ein einziges Bild: Feuerräder, brennende Schriftzüge, Schwärmer, Wasserbomben, Raketen, Feuerbäume, Girandolen, choreografierte Schlachten zu Wasser und zu Lande.
Europa und seine absolutistischen Herrscher perfektionierten die theatrale und architektonisch aufwendige Feuerwerksaufführung. In der Kunstform Feuerwerk fand die Vorliebe des Barocks für den vorsätzlichen ökonomischen Irrsinn und die effektvolle Verschwendung ihren Höhepunkt. Ganze Schlösser, Tempel, Burgen, Schiffe und eigens geschaffene Ungeheuer wurden aufgebaut und abgebrannt. So hielt Claude Lorrain Anfang Februar 1637 in mehreren Stichen die Aktionen anlässlich der Krönung Ferdinand III. zum „König der Römer“ fest: Ein Schloss auf quadratischem Grundriss explodiert und gibt den Blick frei auf einen runden Turm. Dieser fliegt wiederum in die Luft und es erscheint die Reiterstatue des Königs der Römer.
Ausgewählte Arbeiten von Malte Bartsch, Daniel T. Braun, Cai Guoqiang, Sandra Kranich, Roman Signer und Michael Wesely kontrastieren in je eigener Weise die historischen Kupferstiche. Ob witzig oder überwältigend, ironisch oder zerstörerisch: Die berstend-eruptive Kraft des Feuers zeigt sich in mannigfacher Gestalt.
Zur Ausstellung erscheint ein Magazin (Broschur, 96 Seiten, 10 Euro) mit großformatigen Abbildungen über die Ambivalenz von Schönheit und Zerstörung, die Nähe von Fest und Krieg und die Macht medialer Erzeugnisse. Das Magazin fragt in Zusammenarbeit mit der Deutschen Umwelthilfe nach dem Potential historischer Sammlungen für zukünftige gesellschaftliche Aushandlungen.

8. November 2024 - 9. Februar 2025
30. November 2024, 19 Uhr starten am Kulturforum 150 Drohnen zum LED-Spektakel

Kulturforum
Ausstellungshalle
Matthäikirchplatz, 10785 Berlin

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