Mittwoch, 31. Januar 2024

Buch des Monats der Schweizerischen Bibliophilen

Das Buch des Monats Februar 2024 der Schweizerischen Bibliophilen-Gesellschaft ist
Albert Lutz, Val Medel /Albert Lutz, Val Medel – Naturforscher und Landschaftsmaler erkunden den Rhein und die Berge am Lukmanier 1700–1830
 
(Neujahrsblatt der Gelehrten Gesellschaft in Zürich auf das Jahr 2024), 86 Seiten, 27 Abbildungen, Hrsg.: «La Vitrina»
(ISBN: 978-3-033-10110-4).

Zwischen 1780 und 1830 sind Künstler in das Bergtal Val Medel gekommen, um vor Ort auf Bergreisen zu zeichnen und zu malen. Diesen Landschaftsillustratoren ist das von Albert Lutz verfasste Buch gewidmet.

Die Erkundung und künstlerische Wahrnehmung dieses Landstrichs erfolgte aus verschiedenen Interessen.
Die malerischen Schönheiten der Natur – Wasserfälle, Brücken, Schneeberge im Hintergrund – und ihre Wirkung auf die empfindsame Seele der Betrachter wollten einige dieser Zeichner und Maler vermitteln.
Salomon Gessner (1730–1788) setzte 1788 das Bild von Hess in eine kleinformatige Radierung um; er verwandelte die präzise Zeichnung von Hess ‹in ein Bergidyll, ein alpines Arkadien›.
Salomon Gessner nach Ludwig Hess, Rhein-Brüke, nahe bey St.Roch im Medelser Thal in Bünten.
Mit Salomon Gessner bewegen wir uns in der Welt der Idyllen: Schäferinnen und Hirten leben – ein Gegenbild zum dekadenten Leben in den Städten – im Einklang mit der urwüchsigen, friedvollen Natur; glückliche Lämmer und Ziegen umgeben sie. Gessners Gedichtsammlungen «Daphnis» und «Idyllen» erschienen von 1754 an in mehreren Auflagen.
Ein eigenartiges Interesse zeigt sich im Kunstmarkt, der die Nachfrage nach erhabenen, pittoresken Bildern bediente. Der junge Schaffhauser Verleger Johann Ludwig (Louis) Bleuler (1792–1850) unternahm 1817/19 – geführt von P. Placidus Spescha – Reisen in die bündnerischen Bergtäler, um akribisch genaue Landschaftsstudien anzufertigen. Der Rhein entwickelte sich allmählich zu einem eigenen Bildmotiv, und von 1827 bis 1842/43 entstand dann in seinem Verlag nach und nach die «Große Rheinreise», an der 25 Graphiker arbeiteten.
Hans Conrad Escher (1767–1823), der mit dem Fernglas die Berge absuchte, um ihre Schichtung zu erforschen, setzt sich mit seinem geognostischen Interesse deutlich ab von den malerischen Alpenansichten. Ihm ging es um die Erforschung der Entstehung der Gebirge, wozu er zahlreiche Exkursionen in die Alpen unternahm. 
Ob der Mensch nun diese zahllosen Welten zum Vorwurf seiner Betrachtungen wähle, oder ob er die zweckmäßige Bildung unserer Erdoberfläche untersuche, oder dem bewundernswerthen Organismus der Geschöpfe nachspüre, so wird er immer auf die gleiche göttliche Urquelle alles Daseins hingeleitet, die dem Mensch zwar zu fühlen, nicht aber mittels seiner Vernunft zu begreifen vergönnt ist, so lange diese an die Bedingungen von Zeit und Raum für ihre Begriffe gebunden ist (Escher, zitiert auf S. 59).
Geführt wurden die Alpinisten immer wieder von Pater Placidus Spescha O.S.B. (1752–1833 in Trun; 1782 Priester in Disentis). 
Er interessierte sich für die Gestalt der Berge und Theorien ihrer Entstehung, Gesteine, Gewässer, Witterungserscheinungen, Alpwirtschaft, und auch für die Lebensart der freiheitsliebenden Menschen der Alpen mit ihren besonderen Anlagen. Das Zeichnen traute er sich kaum zu, indessen beschrieb er die Landschaften sehr plastisch. Seine weitläufigen Aufzeichnungen sind handschriftlich überliefert und neuerdings zum Teil ediert von Ursula Scholin Izeti. Befreundet war er u.a. mit Johann Gottfried Ebel (1764–1830), der sich ebenfalls für den Bau der Berge und die Gebirgsvölker interessierte, und dem er Informationen zukommen ließ.
Der unermüdliche Pater Placidus Spescha war indessen nicht nur kulturgeographisch unterwegs. Sein Einsatz gegen die Verarmung der Bevölkerung, sein Verhalten im Kriegsjahr 1799 und im Jahr ohne Sommer mit Überschwemmungen, Brückeneinstürze und einer Hungersnot 1816 sind weitere, beeindruckende Leistungen dieses Manns.

(Paul Michel, Zürich)

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