Von einer Neuentwicklung verspricht die Linguasoft AG sich eine starke Aufwärtsentwicklung der Umsatzzahlen. Mit ihrem neuen Softwarepaket für Buchverlage wird ein weiterer Schritt in der Entwicklung „denkender Rechner“ vollzogen. Es bietet den Vorteil der autorunabhängigen Verarbeitung von beliebig großen Wortschatzmengen im Rahmen einer vorzugebenden Anzahl von Strukturprofilen. Ein Strukturprofilprogramm erlaubt es dem Anwender, seine Umfangs-, Inhalts-, Textsorten-, Tendenz- und Stimmungsvorgaben in Form von einfachen Codierungen einzugeben. Der automatische Textgenerator setzt die Befehle in leicht verständliche Texte beliebiger Länge um, die auf Wunsch ausgedruckt oder auf Speichermedien übertragen werden können.Die Auswirkungen, welche die neue Software auf die Textverarbeitungsindustrie haben wird, werden von Kennern der Branche als sehr weitreichend beurteilt. Die Heftromanhersteller rechnen mit spürbaren Erleichterungen für ihre angespannte Ertragslage. Terminschwierigkeiten und Umsatzeinbußen, wie sie aufgrund von Erkrankungen, Niveauschwund oder Totalausfall auf der Autorenseite periodisch hingenommen werden mußten, sind künftig vermeidbar. Unter Einsatz eines Zufallsgenerators wird es speziell in diesem Bereich künftig möglich sein, sinnvolle und spannende Romantextmengen zu erzeugen, die per „publishing on demand“ unmittelbar als Buch abrufbar sind. Autoren werden eine zeitlang noch in Werkverträgen als Plotprogrammierer beschäftig werden müssen. Ziel ist es, im Plot-Bereich eine Art Sättigungsgrenze zu erreichen, jenseits derer die Produktion redundant würde.
Aus Heftromanherstellerkreisen verlautete, man werde den vorauszusehenden Protesten der Mediengewerkschaften und Autorenverbände mit dem Hinweis auf die zu erwartende Steigerung der Bibliothekstantieme begegnen. Gleichzeitig mit der Umrüstung auf die neuen Programme bemühten sich die Heftromanhersteller verstärkt um die Einrichtung von weiteren Rapid-reading-Kursen vor allem in ländlichen Gebieten, weil hier der Schwerpunkt ihres Umsatzes liege.
Für das kommende Jahr sind als Updates zusätzliche Sortierprogramme zum Wortschatz- und Syntaxbereich angekündigt, die es erlauben werden, die auszuwerfende Textmenge mit dem jeweils gewünschten atmosphärischen Gemüts- und Stimmungsgehalt anzureichern. Auch Effekte der Ironie, der Distanzierung und Verfremdung, wie sie bisher dem künstlerischen Texterzeugungsbereich vorbehalten waren, können von der Software dann erstellt werden, wenn beispielsweise zum Schifffahrtsroman-Plot der dem Heidemilieu zugeordnete Stimmungscode eingegeben wird.
Die Bundessprüfstelle für jugendgefährdende Schriften äußerte in einer ersten Stellungnahme ihre Besorgnis. Sie erwarte ein sprunghaftes Zunahme pornographischer Erzeugnisse. Die sexuellen Teilbereiche der Wortschatzprogramme müssten mit einer Sicherungskennung versehen werden, die geeignet sei, missbräuchliche Benutzung, etwa durch Minderjährige, zu unterbinden.
Die außerparlamentarische Arbeitsgruppe für Sinnproduktion hat mit Zustimmung auf diese Meldungen reagiert. Ein Sprecher erklärte, die neue Produktionsweise entlaste die echten Wortkünstler von außerkunsthaften Aufgabenstellungen. Die realistische Abschilderung von Gegenständen und Ereignissen könne nunmehr den Maschinen überlassen werden. Damit eröffne sich ein weiter Spielraum für freies kreatives Gestalten. Eine ähnliche Entwicklung habe die seinerzeitige Erfindung der Fotografie ausgelöst. Die Malerei sei von den bloßen Abschilderungsaufgaben entlastet worden, und die Fotografie habe sich zu einer eigenständigen Kunstgattung entwickelt. Dieser Verlauf werde durch die neue Software nun auch im Bereich der Wortkunst initiiert.
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