Mittwoch, 1. Februar 2023

Bibliophiles des Monats: Zum ewigen Frieden

Bibliophiles des Monats Februar ist ein vor über 200 Jahren erschienenes, hochaktuelles Buch, welches in der Folge zwar immer wieder neu aufgelegt wurde, ein Traktat aber, welches von der Politik leider in eben diesem Maße ignoriert, wie es von der Philosophie rezipiert wurde:

Zum ewigen Frieden. Ein philosophischer Entwurf von Immanuel Kant. Neue vermehrte Auflage. Königsberg, bey Friedrich Nicolovius. 1796. 112 Seiten, 12°.
Immanuel Kant fasste 1797 eine der Grundaussagen des vorgestellten Buches in seiner „Metaphysik der Sitten“ zusammen: „Nun spricht die moralisch-praktische Vernunft ihr unwiderrufliches Veto aus: Es soll kein Krieg sein …“. Fred Dumke kennzeichnet in einem Vorwort zum Reprint (Verlag der Nation, Berlin 1985) der Ausgabe von 1795 „Die beiden großen Grundideen der praktischen Philosophie Kants, die Idee von der Würde des Menschen und seinen unveräußerlichen Rechten und die Idee vom ewigen Frieden“ als kostbares humanistisches philosophisches Erbe.

Der präsentierte Titel ist weniger wegen seines Drucks oder unter buchkünstlerischen Gesichtspunkten als bibliophil einzustufen, wohl aber wegen seines Alters und aufgrund seiner Bedeutsamkeit und Beliebtheit unter Sammlern philosophischer Erstausgaben. Das, obwohl diese zweite Auflage seinerzeit nicht mehr so gut verkauft wurde, wie die erste. So verweist der Pirckheimer Steffen Dietzsch in einem gemeinsam mit Manfred Buhr verfassten Nachwort in der 1984 beim Leipziger Verlag Philipp Reclam jun. erschienenen Ausgabe (mit Texten zur Rezeption 1796 - 1800) darauf, dass sich bei der Versteigerung des Sortimentslagers des Verlegers Friedrich Nicolovius von der zweiten Auflage dieser Schrift noch 680 unverkaufte Exemplare fanden (vgl. Karl Rosenkranz, Studien, Berlin 1839, 1. Teil, S. 248). Er schreibt: „Auch wenn man davon ausgehen muss, dass Kants Schriften immer in verhältnismäßig großen Auflagen verlegt wurden (1 500 Exemplare), so verweist diese Makulaturbilanz doch schon auf eine bedenkliche Kauf- und Rezeptionszurückhaltung“.
Bei vielen Objekten, die hier in der Rubrik Bibliophiles vorgestellt werden, ist für den Bibliophilen nicht nur der historische oder buchkünstlerische Aspekt von Interesse, häufig spielt dabei auch die Auseinandersetzung mit dem Inhalt eine wesentliche Rolle, ohne dass damit die Gemeinschaft von Bibliophilen zu einer literarischen oder philosophischen Gesellschaft wird. So wurde z.B. auch im vorliegenden Fall der Text beim Pirckheimer Bernd Friedrich (d.i. Bernd Friedrich Schulz) zum Thema einer graphischen Umsetzung. Der Künstler nutzte für seinen Handpressendruck historischen Bleilettern der gleichen Fraktur-Schrift, mit denen auch Kants Werk gedruckt worden ist. Solche Lettern sind inzwischen kaum noch verfügbar, da sie ab 1941 als Schwabacher Judenlettern bezeichnet und verboten wurden. Der überwiegende Teil wurde daraufhin eingeschmolzen, da ab dann nur noch lateinische Schriften verwendet werden sollten.
Das typografische Blatt, in einer zweiten Variante auch als Postkarte erhältlich, gibt von Kant angeführte Worte wieder, die Antisthenes zugesprochen werden und wird vom Künstler zugunsten der Welthungerhilfe verkauft.

Die ideengeschichtliche Bedeutung der Kantschen Schrift, historisch bei weitem nicht die erste, die der Frage nach den Wegen und Mitteln zur Beseitigung von Kriegen und zur Erreichung des ewigen Friedens zwischen den Völkern gewidmet war, erkannte ein zeitgenössischer Rezensent bereits zum Erscheinen der ersten Fassung, die einschließlich Errata 106 Seiten umfasste: „Vielleicht sind diese 6 ½ Bogen das wichtigste Werk, welches wir in dieser Messe erhalten haben. … Man kann diese kleine Schrift … als einen Kodex betrachten, in welchem man die Auflösung aller der großen Probleme, welche in unseren Tagen so vieles Menschenblut gekostet haben, findet, wenn man sie mit aufrichtiger Seele sucht.“ Leider verwirklichte sich bis in die Gegenwart sein Wunsch nicht: „Möchte sie … auch der Absicht des großen Weltweisen gemäß wirken.“ (aus: „Das neue grüne Ungeheuer“, hrsg.: A.G.Fr. von Rebmann, Upsala [d.i. Altona] 1796).

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