Montag, 21. Juli 2014

Der Sammler auf Reisen: Erkner

Man hört viel über den angeblichen Niedergang de Buches und man findet im Netz auch immer wieder neue Hinweise darauf: Schließung von Buchhandlungen, Verdrängung des Antiquariats durch Billig- und Ramschanbieter im Internet, Insolvenzen in der Druckindustrie, prekäre Situation von Buchkünstlern. Auf Reisen kann man aber auch einen anderen Trend beobachten: die Liebe am Buch lässt den Leser und Bücherfreund zunehmend Wege finden, am Monetären vorbei das Kulturgut Buch weiterleben zu lassen: Bücher werden ohne irgendeinen kommerziellen Nutzen an neue Leser weitergegeben. So finden sich inzwischen nicht nur in Gotteshäusern in Wales Regale mit Büchern zum Mitnehmen oder gegen eine freiwillige Spende, sondern auch in Kirchen in Deutschland (und sogar in Museen, wie die Berlin-Brandenburger Pirckheimer auf ihrer letzten Exkursion feststellten), Telefonhäusschen werden zur BücherboXX und weltweit "lassen Bookcrosser ihre Bücher frei".

Eine anderes Bücherprojekt konnte ich jetzt in Erkner bei Berlin näher beobachten, ähnlich der BücherboXX, nur eben betreut durch eine Inmobilienfirma, die bereits mit sieben derartigen Projekten für sich wirbt und diese finanziell am Leben hält. Es finden sich dort natürlich keine oder nur äußerst selten wertvolle Ausgaben, aber wertvolle Literatur, natürlich zwischen Ramsch und billigem Lesefutter. Das Erstaunliche für mich war, wie intensiv dieses Angebot genutzt wurde. In den drei Wochen, in denen ich immer mal wieder dort vorbeischaute, waren die knapp 80 eingestellten Titel spätestens innerhalb von 48 Stunden komplett ausgewechselt. Und neben Heften mit Artzromanen, Liebesschnulzen und Readers Digest bestand die Hälfte des Angebots aus Th. Mann, Hesse, Heine, Lessing, es fand sich dort Čapeks "Krieg der Molche" in der genialen Buchgestaltung und Illustration von Ticha, sowie Inselbücher und und und ...
Ich selbst lieh mir nacheinander, um sie im Urlaub zu lesen, zwei Bände mit Majakowskis Poemen aus, die natürlich zu Hause in meinem Bücherschrank stehen, stellte sie wieder zurück und fand an ihrer Stelle Kants "Impressum" und Melvilles "Mobi Dick" in der Ausgabe der Sammlung Dieterich.
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