Donnerstag, 23. August 2012

Insel-Bücherei und Sammlung Julia Vermes

Als die Erfolgsgeschichte der Insel-Bücherei begann, war der Inselverlag noch ein junger Verlag, hervorgegangen aus der Zeitschrift „Die Insel“ im Jahr 1899. Vermutlich war es Stefan Zweig, einer der Autoren des Verlags, der den Verleger Anton Kippenberg dazu anregte, preiswerte Bücher, die man wie eine Zeitschrift abonnieren konnte, herauszugeben. Mit Rainer Maria Rilkes „Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke“ kam 1912 die erste Nummer der Insel-Bücherei heraus. Mit einer Auflage von über 1 Million Exemplare, ist es einer der erfolgreichsten Titel der Reihe. Bereits im ersten Jahr der Inselbücherei erschienen 27 Nummern, 1913 waren es dann schon 85 Nummern. Das Programm der Reihe war von Anfang an äußerst weitgefächert, von zeitgenössischer Literatur wie Rilke, Emile Verhaeren, Hugo von Hofmannsthal oder Ricarda Huch über Klassiker wie Cervantes, Boccacio oder Goethe, Literatur des Mittelalters (Die Geschichte von Aucassin und Nicolette) und der Antike (Plato). Internationale Autoren, wie Balzac, Flaubert, Gogol, Tolstoi Björnstjerne Björnson, Oscar Wilde, Charles Dickens finden sich hier ebenso wie Vaterländisches, so Bismarck-Reden oder Friedrich Rochlitz‘ Tagebuchaufzeichnungen der Leipziger Völkerschlacht „Tage der Gefahr“. Die Bände zum Preis von 50 Pfennig waren in Pappe gebunden, sorgfältig typographisch gestaltet und auf gutes Papier gedruckt. Charakteristisch waren die verschieden gemusterten Überzugspapiere. Anfangs waren es Papiere von Guiseppe Rizzi aus Varese, die dieser nach alten Vorbildern fertigte. Später kamen viele weitere Papiere hinzu, oftmals korrespondieren sie mit dem Buchinhalt. Das Zusammenspiel von anspruchsvollem Inhalt und ansprechender Gestaltung zum erschwinglichen Preis machte die Bände der Insel-Bücherei bald zum beliebten Sammelobjekt, dessen Faszination seit hundert Jahren ungebrochen ist. Bereits 1912 erschienen auch mit Illustrationen versehene Bände. Waren es zuerst nur Nachdrucke historischer Illustrationen, so gab es ab 1919 dann auch Bände, die von zeitgenössischen Künstlern illustriert wurden. 1917 erschien mit Holbeins Bilder des Todes der erste Kunstband, später folgten Bände mit Fotografien, der erste mehrfarbige Druck war eine Struwwelpeterausgabe von 1933. Großer Beliebtheit erfreuten sich farbig illustrierte botanische, mineralogische oder zoologische volkstümliche Bestimmungsbücher, hier sind zum Beispiel „Das kleine Baumbuch“ von Willi Harwerth oder „Das kleine Blumenbuch“ von Rudolf Koch zu nennen.


Die Geschichte der Insel-Bücherei ist auch ein Stück Zeitgeschichte. Der Erste Weltkrieg schlägt sich nieder in Titel wie „Deutsche Kriegslieder“, „Deutsche Vaterlandslieder“, Ernst Moritz Arndt „Katechismus für den deutschen Kriegs- und Wehrmann, Heinrich von Kleist „Die Hermannsschlacht“, nach dem Kriege wurden diese Nummern bald mit anderen Titeln besetzt.
Zur Zeit des Nationalsozialismus behielt Kippenberg sein bewährtes Verlagsprogramm bei, allerdings musste er sich von einigen, von den Nationalsozialisten verbotenen Autoren, beispielsweise Stefan Zweig, trennen. Während des zweiten Weltkriegs erschienen etliche Nummern der Insel-Bücherei broschiert und auf minderwertiges Papier gedruckt als Feldpostausgaben.
Nach dem zweiten Weltkrieg symbolisiert der Verlag die deutsche Teilung. Auf Anregung der Amerikaner gründete Kippenberg 1945 in Wiesbaden eine Zweigstelle des Verlags. Das Verlagshaus in Leipzig bestand weiterhin. Mit der sich manifestierenden Teilung, die am Ende in zwei selbständigen Staaten mündete, gab es schließlich auch zwei voneinander unabhängige Verlage, der eine mit Sitz in Leipzig, der andere in Wiesbaden, ab 1960 dann in Frankfurt / Main. Beide gaben weiterhin die Insel-Bücherei heraus. War man anfangs noch bemüht, sich der Vergabe der Nummern abzusprechen, so gab es später zahlreiche Doppelbelegungen. Nach der Wiedervereinigung Deutschland wurde 1991 auch der Insel-Verlag wieder vereint, heute hat er seinen Sitz in Berlin. Mittlerweile sind 1365 Nummern der Inselbücherei erschienen, viele Nummern sind mehrfach belegt. Das Klingspor-Museum besitzt eine umfangreiche Sammlung von Inselbänden. In den siebziger Jahren schenkte ein Sammler aus Israel dem Museum seine über 1100 Bände umfassende Sammlung, seitdem wird die Sammlung ständig ergänzt. Einen besonderen Höhepunkt in der Ausstellung zum hundertjährigen Jubiläum der Insel-Bücherei bildet die Sammlung Vermes aus Basel. Die passionierte Sammlerin beauftragte Protagonisten der zeitgenössischen Buchkunst, aber auch vielversprechende Nachwuchstalente mit der künstlerischen Überarbeitung von Inselbänden. Die Liste der vertretenen Künstler aus Europa, den USA und Japan liest sich wie ein „Who is who“ des modernen Künstlerbuches. Nur gebunden an das Format entstanden hier höchst unterschiedliche Arbeiten. So findet sich zum Beispiel Band 727 klassischer chinesischer Darstellungen der Lohans mit bissig kritischen Übermalungen von Ottfried Zielke, die verschiedene Spielarten moderner Götzen zeigen oder Band 422 in dem der amerikanische Fotograf Gregg LeFevre Bildwerken Georg Kolbes Modefotografien gegenüberstellt. Die Schau der 66 Unikate spannt einen reizvollen Bogen von Übermalungen zu Collagen, Dekonstruktionen des Buchkörpers bis hin zum nicht mehr blätterbaren Objekt.

Zur Sammlung Vermes erscheint ein Katalog

Freitag, 7. Oktober bis 18. November 2012
Eintritt: 2,50 €, Mtgl. 1,50 €

Herrnstr. 80
63065 Offenbach

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